Wien – Wie sehr Nostalgie mit Eindrücken aus der eigenen Vergangenheit zusammenhängt, kann man gut an der Musik, an Kinofilmen und nicht zuletzt am Fernsehen feststellen: Die erste selbst gekaufte Schallplatte, der erste Kinobesuch und die ehemalige Lieblingsserie befeuern wohl mindestens ein halbes Leben lang die Erinnerung.

Dass dem Fernsehen dabei besondere Bedeutung zukommt, liegt an seiner verhängnisvollen Existenz als Wiederholungstäter: Wer über Jahre hinweg immer wieder auf Sendungen aus der eigenen Kindheit oder die sehnsuchtsvoll erwarteten wöchentlichen Vorabendserien stößt, nimmt diese Erinnerung irgendwann persönlich.

Als Ende September der US-Sender CBS (für die USA) und Netflix (für den Rest der Welt) die ersten beiden Folgen von Star Trek: Discovery ausstrahlten, waren die Reaktionen der Fans eher gemischt, während jene der professionellen Kritik – ja, die gibt es noch! – überwiegend positiv ausfielen (mit Seth MacFarlanes im September gestarteter Comedy-Satire The Orville, der lustigeren Version von Bully Herbigs (T)Raumschiff Surprise, ging man indes scharf ins Gericht). Diese unterschiedliche Einschätzung beim Reboot sogenannter Kultserien ist phänomenal und hat eine Ursache: die Erwartungshaltung.

Auch der Erzfeind der Föderation ist nicht mehr das, was er einmal war. Dass er jetzt lilafarbenen Reptilien gleicht, lässt auch die Fans der "Star Trek"-Saga aufjaulen.
Foto: CBS Interactive

Der Geist von Jahrzehnten

Denn obwohl sich Setdesign und Special Effects von Beginn an unwidersprochen auf dem letzten Stand der Technik präsentieren, vermissen viele Fans nicht die spektakulären Schauplätze "where no man has gone before", sondern das Gegenteil – die Philosophie der Saga. Was in den unzähligen Internetforen und Fan-Blogs heiß diskutiert und bemängelt wird, ist das Fehlen jenes Geistes, der die Serie die vergangenen Jahrzehnte umwehte und die Fans zu solchen hat werden lassen: jene humanistische Idee des Erkundens, die im Gegensatz zu George Lucas' Star Wars-Universum das Star Trek-Franchise schon immer als die progressivere Unternehmung auszeichnete.

Plotloch

Dabei hatte man bei CBS eigentlich alles richtig gemacht: mit Sonequa Martin-Queen als Sternenflottenoffizierin Michael Burnham engagierte man zum ersten Mal eine afroamerikanische Schauspielerin für die Führungsrolle, und mit den Klingonen brachte man gleich einmal den bekanntesten Erzfeind der Föderation in Stellung. Geschickte Manöver, die auch bei den Fans großteils wohlwollend zur Kenntnis genommen wurden. Und tatsächlich ging diese Rechnung mit den ersten Folgen – sieht man über so manches irritierende Plotloch – hinweg, in dieser Hinsicht einwandfrei auf.

Doch das breite Publikum, auf das man mit einer hochbudgetierten Serie angewiesen ist, und die zwar nicht kleine, aber letztlich spezielle Fanbasis – die als Verstärker nicht unterschätzt werden darf – haben eben unterschiedliche Ansichten, auch wenn sie dasselbe sehen. Dass Letztere etwa seit Wochen am Aussehen der echsenartigen Klingonen, am düsteren Look der Szenerie oder an der Aufsässigkeit Burnhams (undenkbar für einen Flottenoffizier!) herummäkelt, ist das Ergebnis des permanenten Vergleichs mit liebgewonnen Vorbildern – und eines Informationsvorsprungs: Wer sich dem Fandom verschreibt, weiß eben auch über noch so kleine Abweichungen im Detail bestens Bescheid.

Netflix Deutschland, Österreich und Schweiz

Winterpause

Mit dem Ende der neunten Folge, mit der CBS vergangenen Sonntag Discovery mit fulminantem Cliffhanger in die Winterpause schickte (die restlichen sechs Episoden der ersten Staffel sind ab 7. Jänner 2018 zu sehen), gehen die heißen Diskussionen jedenfalls in die Verlängerung.

Aufregung in Mittelerde

Die von Amazon angekündigte Prequel-Serie von Lord of the Rings hat übrigens derweil bei den Mittelerde-Fans für erboste Aufregung gesorgt. John Rhys-Davies, in den Kinofilmen als Zwerg Gimli die Axt schwingend, meinte gar, Tolkien würde sich im Grab umdrehen. Aber das hieß es ja schon, als sich Peter Jackson der Trilogie annahm. Doch bis es so weit ist, hält man es wohl am besten mit Captain Jean-Luc Picard als Kommandant der Enterprise in The Next Generation – und genehmigt sich eine gute Tasse Earl Grey. (Michael Pekler, 19.11.2017)