Brüssel – Angesichts der Spannungen mit der Türkei hat die Europäische Union die Hilfen zur Vorbereitung auf eine EU-Mitgliedschaft des Landes gekürzt. Wie die Nachrichtenagentur AFP am Samstag aus EU-Kreisen erfuhr, wurden die sogenannten Vorbeitrittshilfen in den Haushaltsverhandlungen für 2018 im Vergleich zum ersten Budgetentwurf der EU-Kommission um 105 Millionen Euro verringert.

Weitere 70 Millionen Euro wurden vorerst gesperrt, wie es weiter hieß. Diese Gelder würden nur freigegeben, wenn die EU Fortschritte im Bereich der Rechtsstaatlichkeit feststelle.

Der konservative Parlamentsberichterstatter Siegfried Muresan sprach von einer "klaren Botschaft". Es könne keine bedingungslose Zahlung von EU-Geldern für Länder geben, "die sich von unseren demokratischen Standards verabschieden und grundlegende Rechte verletzen".

Verschlechterte Menschenrechtslage

Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten bei ihrem Gipfel im Oktober eine Kürzung verlangt. Sie reagierten damit auf das massive Vorgehen Ankaras gegen Regierungskritiker und eine insgesamt verschlechterte Menschenrechtslage. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte den Beschluss damals maßgeblich durchgesetzt.

Die EU führt seit 2005 Beitrittsgespräche mit der Türkei. Mit den Hilfen soll die Anpassung von Beitrittskandidaten an EU-Standards erleichtert werden. Insgesamt stehen für die Türkei dafür im siebenjährigen EU-Finanzzeitraum von 2014 bis 2020 rund 4,45 Milliarden Euro bereit. Ausgezahlt wurden laut EU-Kommission bisher aber lediglich 286 Millionen Euro.

Einigung auf Budget für 2018

In der Nacht auf Samstag haben sich die EU-Staaten und das Europaparlament auf den Haushalt für das kommende Jahr geeinigt. Nach 16-stündigen Verhandlungen in der Nacht zum Samstag einigte man sich auf Ausgaben von 144,7 Milliarden Euro. Dies sind gut zehn Milliarden Euro mehr als im laufenden Jahr. Um mehr als 100 Millionen Euro gekürzt wurden jedoch die Hilfen für die Türkei.

Der neue Haushalt biete "genügend Spielraum, um auf unvorhersehbaren Bedarf zu reagieren", erklärte Estlands Finanzstaatssekretär Märt Kivine, dessen Land derzeit den EU-Vorsitz innehat. "Das Budget 2018 konzentriert sich stark auf Prioritäten wie die Förderung von Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Stärkung von Sicherheit und darauf, die Herausforderungen durch die Migration anzugehen."

"Nötige Flexibilität"

Die Vereinbarung sei "ein gutes Beispiel für maßvolle und vorausschauende Haushaltsführung", erklärte der deutsche Finanzstaatssekretär Jens Spahn (CDU). Sie biete "die nötige Flexibilität, um auf zukünftige Herausforderungen reagieren zu können". Daneben würden "Schlüsselpolitiken mit europäischem Mehrwert" wie Forschung und Entwicklung, das EU-Asylsystem, der europäische Grenzschutz und die Polizeizusammenarbeit "zusätzlich aufgestockt".

Das EU-Parlament erklärte, seine Verhandlungsführer hätten von den Mitgliedstaaten verlangte Kürzungen von 750 Millionen Euro im Bereich Wachstum und Jobs verhindert. Zudem habe die Volksvertretung eine Erhöhung der Gelder für die europäische Jugendbeschäftigungsinitiative um 116,7 Millionen auf 350 Millionen Euro durchgesetzt.

EU-Parlament hatte mehr gefordert

Die Summe der Gesamtzahlungsverpflichtungen, die auch über das Jahr 2018 hinausreichen können, wurde auf 160,1 Milliarden Euro festgelegt. Das Europaparlament hatte zum Auftakt der Verhandlungen noch 2,5 Milliarden Euro mehr gefordert. Die Mitgliedstaaten wollten die Summe auf 158,9 Milliarden Euro begrenzen.

Die Einigung der Verhandlungsführer auf den Gesamthaushalt muss noch durch das Europaparlament und den EU-Rat der Mitgliedstaaten bestätigt werden. Dafür haben beide Seiten 14 Tage Zeit. Das Plenum des Europaparlaments stimmt am 30. November ab. (APA, 18.11.2017)