Die Bilder aus Paris rufen, je nachdem aus welcher politischen Perspektive betrachtet, völlig unterschiedliche Reaktionen hervor: Das Eintreffen des libanesischen Premiers Saad Hariri bei Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Samstag sei der Beweis dafür, dass der Verdacht, Saudi-Arabien hätte Hariri zum Rücktritt gezwungen und in Riad festgehalten, aus der Luft gegriffen war, sagen die einen. Als Szenen einer Geiselbefreiung sehen es die anderen: Wofür hätte Hariri dem französischen Staatschef denn sonst so emotional gedankt?

"Le Monde" titelte am Samstag online damit, dass die französische Diplomatie den Saudis geholfen habe, in der Hariri-Affäre das Gesicht zu wahren. Das Gefühl, dass zurzeit im politischen Werkzeugkasten Saudi-Arabiens vor allem zur Brechstange gegriffen wird, ist weit verbreitet. Diese Politik wird nicht dem König, sondern dem 32-jährigen Kronprinzen Mohammed bin Salman zugerechnet – der genau weiß, was er will, dabei jedoch vor allem seinen Impulsen folgt, ohne Plan B oder Exit-Strategie. "Abenteurertum" nannte es Deutschlands Außenminister Sigmar Gabriel und löste damit eine diplomatische Krise aus.

Hariri und der Libanon, der für die Existenz der Schiitenpartei/Miliz Hisbollah büßen muss, sind nicht das einzige Beispiel dafür. Da ist auch das saudische militärische Engagement im Jemen, das nach zweieinhalb Jahren in einer Sackgasse steckt, und die Katar-Eskalation, die ein halbes Jahr danach nicht zur Unterwerfung des kleinen Emirats geführt hat.

Ambitionen des Irans

Jemen, Katar, Libanon – all das hat mit dem Iran zu tun, dessen Ambitionen in der Region nicht nur Saudi-Arabien Unbehagen bereiten. Der Iran hat mehr Einfluss denn je im Irak, ist – auch wenn man über die Tiefe der Involvierung streiten mag – ein Spieler im Jemen und vor allem Sieger des Kriegs in Syrien, gemeinsam mit seinem libanesischen Stellvertreter, der Hisbollah. Und Teheran denkt gar nicht daran, auf die Dividenden dieses Siegs zu verzichten.

Das sollte auch die Europäer interessieren – denn es wird den Nahen Osten nicht stabiler machen. Aber die neue, aggressive saudische Libanon-Politik berührt wiederum andere europäische Sensibilitäten: Von einer Destabilisierung wären nicht nur die Libanesen, sondern bis zu eineinhalb Millionen Flüchtlinge betroffen. Und so kommt es, dass über die Brechstange diskutiert wird, aber nicht über die Ursachen für ihren – verfehlten – Einsatz. (Gudrun Harrer, 19.11.2017)