An Tucumcari, knapp 1300 Meilen nach unserem Ausgangspunkt in Kalifornien, sind wir mitten im Nirgendwo angekommen. Hier in einem 5000-Einwohner-Ort in New Mexico lässt uns zwar nicht unser südkoreanisches Mietauto im Stich, wie von den Kollegen vom Autoressort mit viel Häme prognostiziert, sondern das GPS. Es zeigt Straßen an, die es gar nicht gibt, will, dass wir umdrehen – und zwingt uns dazu, die historische Route 66, an der der Ort aufgefädelt ist, langsam abzufahren.

Im Südkoreaner in Nordamerika.
Foto: Franziska Zoidl

Die Motels links und rechts sehen wie aus der Zeit gefallen aus, genau wie die Zapfhähne der Tankstellen und die verschlafen wirkenden Fastfood-Restaurants. Bei genauerem Hinschauen stellt sich heraus: Der Großteil der Betriebe hat zugesperrt. Die Parkplätze des Tucumcari Inn sind mit Gras überwuchert, die Neonreklame des Apache Motel ist lange erloschen, die immer noch angeschriebenen Zimmerpreise sind nicht mehr ganz aktuell. Und ob im Empty Saddle RV Park Pferde tatsächlich noch willkommen sind, so wie es eine Tafel vor dem Empfangsgebäude suggeriert, ist fraglich.

Das Americana Motel in Tucumcari.
Foto: Franziska Zoidl

Tucumcari teilt sein Schicksal mit vielen anderen Orten entlang der Route 66. Die frühere "Hauptstraße Amerikas", die die Amerikaner von Chicago aus auf knapp 4000 Kilometern gen Westen bis an den Pazifik führte, gibt es nur noch in Teilstücken. Sie wurde bis in die 1980er-Jahre nach dem Vorbild deutscher Autobahnen von neuen Highways abgelöst, die oft fernab jener Orte verlaufen, deren wirtschaftliche Existenz eng mit der Route 66 verwoben war. Die Interstate 40, auf der heute die meisten Autos an Tucumcari vorbeirauschen, ist zwar immer noch in Sichtweite. Aber entlang der modernen Straße sind Motels großer Ketten entstanden, die für Reisende bequemer zu erreichen sind als die Unterkünfte im Ort.

Ein nostalgisch anmutendes Diner für Touristen in Kingman, Arizona.
Foto: Franziska Zoidl

Die Route 66 interessiere heute hauptsächlich Nostalgiker, darunter viele Touristen aus Europa, erzählen Einheimische. Im Tucumcaris Route-66-Museum empfängt die rüstige Seniorin Ann Thibodeaux Besucher. Sie engagiert sich gemeinsam mit anderen Freiwilligen für eine Wiederbelebung ihres Heimatortes. Auf die Politik sei nämlich kein Verlass, meint sie. Thibodeaux hat ihr ganzes Leben an der Route 66 verbracht.

Die Route 66 ist in Form von Hinweisschildern, Straßenmarkierungen, kitschigen Souvenirs und Graffitis omnipräsent.
Foto: Franziska Zoidl

Schon ihrem Großvater gehörte im Ort eine Wäscherei. Das seien damals noch andere, bessere Zeiten gewesen, erinnert sie sich: "In den 1950er- und 1960er-Jahren war in Tucumcari immer viel los", sagt sie und deutet auf die knallbunten Tische und die Jukebox eines alten Diners, die zu Museumsstücken geworden sind. Genau wie die blitzblank polierten Vintage-Autos, die schon lange nicht mehr auf der Route 66 unterwegs sind – und die fast ausnahmslos zum Verkauf stehen. Die Preise – eine 1979er-Corvette ist um 30.000 Dollar zu haben – hat sich Thibodeaux auf einen Spickzettel notiert.

Die Route 66 ist heute besonders für Touristen aus Europa ein Sehnsuchtsort.
Foto: Franziska Zoidl

Auf den neuen Highways ist der Weg schon lange nicht mehr das Ziel. Die Attraktionen aus vergangenen Zeiten gibt es aber wenigstens an der Route 66 noch: Diner, die zur Rast einluden, Höhlen, Krater, Nationalparks und sogar inmitten eines Maisfelds zur Hälfte in der Erde steckende Cadillacs.

Eine der Attraktionen entlang der Straße: die Cadillac Ranch in Amarillo.
Foto: Franziska Zoidl

Diese Cadillac Ranch in Amarillo, Texas, lockt mit Spraydosen und Gummi- statt Cowboystiefeln ausgerüstete Besucher aus aller Welt an. Die Attraktionen sind nicht immer so bunt: Im texanischen Vega – einer jener Städte, die den "Halfway Point" der Route 66 für sich reklamieren – endete die Straße für uns inmitten einer Pferdeweide. Gut, dass wir ganz europäisch zu Fuß unterwegs waren.

Souvenirs, Souvenirs, Souvenirs.
Foto: Franziska Zoidl

Das Hotel in Tucumcari haben wir auch ohne GPS gefunden. Ein Zimmer ist ab 27 Dollar pro Nacht zu haben, inklusive zerquetschter Spinne unterm nicht ganz frischen Bettlaken. Nur unser kompakter Südkoreaner, ein Hyundai Sonata, musste draußen bleiben. Wir haben ihn standesgemäß gleich vor dem Motelzimmer geparkt. (Franziska Zoidl, 8.12.2017)