Emigranten besteigen um 1850 in Hamburg ein Dampfschiff in Richtung New York City.
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Mehr als fünf Millionen Deutsche emigrierten im 19. Jahrhundert nach Nordamerika, viele aus dem süddeutschen Raum. Nicht wenige der Auswanderer brachten es später zu einiger Bekanntheit: die Familie Heinz dank ihres Sohns Henry John, der sich als Hersteller von Markennahrungsmitteln einen Namen machte. Oder ein Nachfahre von Friedrich Trump, der so wie der Vater von Henry John Heinz aus Kallstadt in der Pfalz stammte, ehe er sich von dort aus in die USA aufmachte.

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Die meisten dieser deutschen Migranten flohen vor Armut, Krieg und Revolution. Doch wie eine Untersuchung von Forschern um den deutschen Umwelthistoriker und Geografen Rüdiger Glaser (Uni Freiburg) nun zeigt, spielten dabei auch Klimaextreme eine wichtige Rolle: "In unserer Studie haben wir herausgefunden, dass die Migration im 19. Jahrhundert zu 20 bis 30 Prozent auf klimatische Bedingungen zurückzuführen ist", erläutert Glaser.

Mehrere Migrationswellen

Bekannt war bisher, dass es durch das sogenannte Jahr ohne Sommer 1816 zur Auswanderung vieler Europäer kam. Ein Jahr zuvor war der Vulkan Tambora auf Indonesien ausgebrochen, dessen Asche und Gas sich in der Atmosphäre verteilte und einen mehrjährigen Temperatursturz auf der ganzen Welt verursachte. Ernteeinbußen und stark gestiegene Getreidepreise waren die Folge dieses zu feuchten und kalten Sommers.

Aus der Studie des deutschen Forschungsteams geht nun aber hervor, dass weitere fünf Migrationswellen in den folgenden Jahrzehnten durch klimatische Extreme beeinflusst wurden. Beispielhaft war das Spitzenmigrationsjahr 1846, in dem ein heißer und trockener Sommer die Ernte ausfallen ließ. "Unsere Analyse macht deutlich, dass es eine Kettenreaktion gab: Schlechte Wetterbedingungen führten zu geringen Ernteeinträgen, steigenden Weizenpreisen und schließlich zur Migration", so Glaser.

Nicht immer war das Klima schuld

Die Umwelthistoriker analysierten für ihre im Fachblatt "Climate of the Past" veröffentlichte Studie Auswanderungs-, Bevölkerungs- und Erntestatistiken, Wetterdaten und Weizenpreise des 19. Jahrhunderts. Der Einfluss des Klimas fiel für die einzelnen Migrationswellen jedoch unterschiedlich stark aus. So haben Glaser und sein Team für die größte von ihnen zwischen 1850 und 1855 andere maßgebliche Faktoren ausgemacht. Ein Exportstopp Frankreichs während des Krimkrieges habe beispielsweise den deutschen Getreidemarkt in dieser Zeit unter Druck gesetzt.

Dennoch: Unter dem Strich waren die Klimaschwankungen eine der Hauptursachen der Migrationswellen aus der Region des heutigen Landes Baden-Württemberg nach Nordamerika, wie die Forscher schreiben, die mit ihrer Arbeit auch ein aufklärerisches Ziel verfolgen: Sie wollen damit zur Diskussion über die Ursachen für Migration beitragen, zumal angesichts der zukünftigen Klimaveränderungen weitere Massenauswanderungen zu erwarten sind. (tasch, 21.11.2018)