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Theresa May will "während der Mitgliedschaft eingegangene Verpflichtungen einhalten".

Foto: Ap/Geert Vanden Wijngaert

Während in der britischen Regierung erstmals realistisch über die eigenen Finanzverpflichtungen gegenüber der EU gesprochen wird, setzen prominente EU-Hasser in der konservativen Partei auf neue Konfrontation mit Brüssel.

Die deutsche Regierungskrise habe die Brexit-Verhandlungen ins Chaos gestürzt, glaubt der frühere Parteichef Iain Duncan Smith. Deshalb wäre zum jetzigen Zeitpunkt ein Angebot weiterer Zahlungen in die Clubkasse "töricht", pflichtet ihm der Hardliner Jacob Rees-Mogg bei.

"Eingegangene Verpflichtungen einhalten"

Genau diese Offerte will Premierministerin Theresa May offenbar am Freitag dem EU-Ratspräsidenten Donald Tusk unterbreiten. Wie in ihrer Florentiner Rede angekündigt, werde ihr Land seine "während der Mitgliedschaft eingegangenen Verpflichtungen einhalten". Gemeint damit ist nun nicht mehr nur die Erfüllung aller Zahlungen im laufenden EU-Haushaltsrahmen, also bis Ende 2020. Offenbar will London auch darüber hinausgehende Verpflichtungen, etwa für Projekte des EU-Kohäsionsfonds oder der Investmentbank EIB, einhalten.

Hinter vorgehaltener Hand ist in London von einer Gesamtsumme von rund 40 Milliarden Euro die Rede. Dafür holte sich die Regierungschefin am Dienstag die Zustimmung des Kabinetts. Freilich wollen die Briten ihr Entgegenkommen an baldige Verhandlungen über die zukünftigen Handelsbeziehungen mit dem Kontinent knüpfen. Diese werden von den EU-Partnern bisher blockiert, was in London für Unverständnis sorgt: Insbesondere bei der Frage die künftige Grenze zwischen der Republik Irland und das britische Nordirland betreffend kann es, so die Meinung vieler Experten, keinen Fortschritt geben, ohne dass wenigstens die Konturen der künftigen Handelsbeziehungen erkennbar sind.

EU-Behörden wandern ab

Zur Ernüchterung der Hardliner im Kabinett hat womöglich die am Montag in Brüssel endgültig beschlossene Abwanderung wichtiger EU-Behörden aus London gesorgt. Brexit-Minister David Davis hatte dies noch vor wenigen Monaten für keineswegs ausgemacht gehalten.

Am Ende des Abstimmungsverfahrens lagen je zwei Städte gleichauf, sodass im Losverfahren entschieden werden musste. Bei der EBA zog Dublin den Kürzeren, die Bankenaufsicht geht nun nach Paris; für die mit mehr als 1000 hochspezialisierten Mitarbeitern deutlich größere Arzneimittelbehörde EMA erhielt Amsterdam den Zuschlag vor Mailand.

Jubel in Paris, Trauer in Wien

Dass das mit seinen Bewerberstädten Bonn (EMA) und Frankfurt (EBA) leer ausgegangene Deutschland künftig Großbritannien stärker unterstützen könnte, schloss Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) in der BBC aus. Auch warnte er vor der von EU-Feinden favorisierten Möglichkeit, die Insel könne im März 2019 ohne jede Vereinbarung aus Binnenmarkt und Zollunion ausscheiden. "Das wäre ein Desaster für die britische Wirtschaft", sagte Schmidt. Der Brexit sei "kein Spiel mit Gewinnern und Verlierern".

Die Niederlande und Frankreich, wo EMA bzw. EBA nun ihre Zelte aufschlagen, sind glücklich. "Das ist eine Anerkennung für die Attraktivität und das Engagement Frankreichs für Europa", twitterte beispielsweise Präsident Emmanuel Macron.

Weniger glücklich zeigte man sich in Österreich. Als "höchst bedauerlich" bezeichnete etwa Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl die doppelte Niederlage. Doppelt deshalb, weil sich Wien Hoffnung auf den Zuschlag für beide EU-Institutionen machen konnte. Österreich müsse sich künftig frühzeitig Verbündete und Allianzpartner suchen und etwa mit den kleinen und mittelgroßen Ländern langfristige gemeinsame Strategien schmieden. (Sebastian Borger aus London, 22.11.2017)