Ihre rote Farbe werden Lokomotiven und Züge der ÖBB wohl behalten. Aber die Zugführer werden in Bewegung kommen. Denn die neue politische Führung wird Vertrauensleute an die Schaltstellen von Österreichs größtem Staatsbetrieb schicken.

Foto: ÖBB/Eisenberger; Collage: Heidi Seywald

Wien – Endzeitstimmung bei Postenbesetzungen im staatsnahen Bereich. Je länger die Koalitionsverhandlungen von Schwarz-Blau dauern, desto mehr Personalrochaden kommen in die Gänge. Das Ministerbüro im Verkehrsministerium des scheidenden Ressortchefs Jörg Leichtfried (er sitzt für die SPÖ künftig im Nationalrat) sei quasi bereits verwaist, selbst auf Beamtenebene habe man bisweilen Mühe, Ansprechpartner zu finden, beklagen Aufsichtsräte und Führungskräfte von Unternehmen im Telekom-, Post- und Bahnbereich.

Bereits so gut wie weg ist beispielsweise die 2011 von der damaligen Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) eingesetzte Super-Sektionschefin Ursula Zechner, bei der erstmals in der rot-schwarzen Proporz-Republik Schiene und Straße vereint wurden. Zechner wurde soeben zur Geschäftsführerin der Asfinag Maut GmbH gekürt, erfuhr der STANDARD in Eigentümerkreisen. Sie wechselt also vom Asfinag-Aufsichtsrat ins operative Geschäft und folgt ebendort auf Gabriele Lutter, die es zurück in die Bahn zieht.

Einen Geschäftsführer- oder Vorstandsposten werde die frühere Vorstandsdirektorin des Bahnteilkonzerns ÖBB-Personenverkehr AG nicht einnehmen, versichert man in ÖBB-Kreisen. Als karenzierte "Alt-Eisenbahnerin" wolle sich die frühere Chefin der Schienen Control (SC) lediglich ihre Pensionsansprüche in der ÖBB sichern. Die ÖBB-Beiträge habe die 55-Jährige während ihrer knapp fünf Jahre in der Asfinag aus eigener Tasche gezahlt, wird betont.

Aus Rot wird Blau

Wiewohl das Verkehrskapitel noch nicht ansatzweise umfassend verhandelt wurde: Macht- und Einflussnahme in diversen Aufsichtsräten zu erlangen, ist in Staatsbetrieben relativ einfach. Eine Hauptversammlung in Gestalt des Ministers genügt, und schon wird aus Rot Blau. Als sichere Kandidatin für einen Abflug gelten in Koalitionsverhandlerkreisen neben Ex-Siemens-Österreich-Chefin Brigitte Ederer (präsidiert den ÖBB-Holding-Aufsichtsrat) deren Pendant in der Asfinag, Verfassungsrichterin Claudia Kahr (war 1992-1995 Büroleiterin der damaligen Europa-Staatssekretärin Brigitte Ederer), ebenso wie AK-Wirtschaftsbereichsleiterin Maria Kubitschek und der frühere SPÖ-Verkehrssprecher im Nationalrat, Kurt Eder.

Hingegen hat der Generalsekretär im Verkehrsministerium, Herbert Kasser, wohl wenig zu befürchten. Er gilt als Rechtsverbinder, diente unter Schwarz-Blau I im Finanzministerium und wurde unter Verkehrsminister Werner Faymann (SPÖ) zum Herrn über die nicht nur für Laien undurchschaubare Bahnfinanzierung.

Nun gehört Kasser gemeinsam mit dem blauen Verbindungsmann Arnold Schiefer (war Kabinettschef unter FPÖ-Verkehrsministern, ehe er nach der Bahnreform 2004 ins ÖBB-Management wechselte) zu den wenigen Auskennern im Bahnsystem. Als Mann mit praktischer Erfahrung wird Schiefer in eingeweihten Kreisen als Aufsichtspräsident für ÖBB und Asfinag gehandelt.

"Super-Oebib"

Keineswegs ausgemacht ist die Schaffung einer "Super-Oebib", also einer Infrastrukturholding, in der alles gebündelt wird von Verbund über ÖBB und Post bis zur Telekom Austria. Von so einem Vehikel träumt zwar die ÖVP seit mehr als 13 Jahren, schaffte in der eigenen Reichshälfte allerdings nicht einmal den Transfer des Verbundkonzerns vom Wirtschafts- ins Finanzministerium.

Dort steht übrigens eine der drängenden Personalentscheidungen an. Bis Dezember sind Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber und Finanzchef Peter Kollmann zu informieren, ob ihre Ende 2018 auslaufenden Verträge verlängert werden. In der von America Movil dominierten Telekom Austria braucht die Republik zwar keine Hauptversammlung, aber Einvernehmen mit dem Syndikatspartner aus Mexiko, um einen Generaldirektor zu installieren. Derzeit liegt das Recht der Oebib brach: CEO Alejandro Plater sitzt auf einem mexikanischen Ticket, und der von Österreich nominierte Chefsessel der Österreich-Tochter A1 Telekom Austria ist seit dem Abgang von Margarete Schramböck im Unfrieden vakant.

Verträge wurden verlängert

Vorgesorgt wurde übrigens auf einem ehemaligen Schlachtfeld der ersten Auflage von Schwarz-Blau (2000 bis 2006): Die Verträge des Geschäftsführer-Duos des Austrian Institute of Technology (AIT; vormals Austrian Research Centers; vulgo Forschungszentrum Seibersdorf), Wolfgang Knoll und Anton Plimon, wurden soeben verlängert (bis 2023), eine allfällige Ablöse käme also teuer.

Reich sind die Betätigungsmöglichkeiten für Postenbesetzer in den ÖBB-Teilkonzernen: Die Verträge der vom damaligen ÖBB-Chef Christian Kern im Dezember 2015 installierten Vorstandsdirektorinnen im ÖBB-Personenverkehr, Valerie Hackl und Evelyn Palla, reifen 2018 ab. Der Sessel des für Bahnbetrieb und Technik zuständigen Vorstands an ihrer Seite, Siegfried Stumpf, hingegen könnte noch vor Regierungsbildung nachbesetzt werden. (Luise Ungerboeck, 22.11.2017)