Bild nicht mehr verfügbar.

Bashar al-Assad nach mehr als zwei Jahren zum ersten Mal wieder bei Wladimir Putin: Der syrische Präsident spielt im Nachkriegssyrien mit.

Foto: AP / Mikhail Klimentyev

Sotschi/Wien – Die Bilder aus Sotschi sind ein politisches Statement: Gastgeber Wladimir Putin bespricht mit Bashar al-Assad die Diplomatie, die zur Befriedung des Landes führen soll, in dem Assad noch immer – sechs Jahre nach Beginn des Aufstands – Präsident ist. Wer meint, dass es eine syrische Nachkriegsordnung ohne Assad geben wird, irrt, ist die Botschaft.

Sie richtet sich aber nicht nur an die syrische Opposition, die sich für bevorstehende Gespräche neu formiert. Indem er Assad nach Sotschi einlud, setzte Putin das syrische Regime symbolisch auch an den Tisch, an dem sich heute, Mittwoch, in Sotschi zwei andere Staatschefs von Ländern, die in Syrien mitspielen, treffen: die Präsidenten des Iran und der Türkei, Hassan Rohani und Tayyip Erdogan. Das russisch-iranisch-türkische Treffen wurde bereits am Sonntag in Antalya von den drei Außenministern vorbereitet.

Die Astana-Staaten

Russland, Türkei, Iran: Das sind die drei Astana-Staaten, "Garanten" der militärisch-technischen Verhandlungen in der kasachischen Hauptstadt, die zur Einrichtung von bisher vier "Deeskalationszonen" in Syrien geführt haben (Idlib, Norden von Homs, Östliche Ghouta, Südsyrien). An diesem im Jänner 2017 eingeführten Format ist bemerkenswert, dass mit der Türkei ein Sponsor der Opposition den Verbündeten des Assad-Regimes, Russland und Iran, gegenübersitzt.

Gleichzeitig zur Präsidentenrunde in Sotschi startet am Mittwoch in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad ein auf drei Tage anberaumtes Oppositionstreffen. Die Saudis versuchen, von den Russen ermuntert, eine "vereinte" syrische Oppositionsdelegation zu schmieden. Das ist in den sechs Jahren des Aufstands nie gelungen, was die Opposition viel internationales Vertrauen gekostet hat – wobei zu sagen ist, dass eines der Probleme der Opposition ihre oft zerstrittenen Sponsoren sind.

Auch jetzt geht es nicht ohne Kämpfe und Krämpfe ab. Riad Hijab, Chef der bisher wichtigsten, von den Saudis gestützten Gruppe HNC (High Negotiation Committee), trat am Montag von seinem Posten zurück. Mit ihm gingen acht andere, hauptsächlich Katar und der Türkei nahestehende Personen, wie es heißt.

Verlierer in der Opposition

Der HNC, der bisher die Opposition bei den Uno-geführten Gesprächen in Genf vertrat, sei durch die erzwungene Verbreiterung quasi abgeschafft, war die Begründung für die Rücktritte. Vom russischen Außenminister Sergej Lawrow wurde Hijab und den anderen zum Abschied zugerufen, dass es gut sei, diese "radikal gesinnten" Leute loszuwerden. Sie hatten darauf beharrt, dass Assad im Rahmen einer Zukunftsregelung gehen müsse.

In der neu aufgestellten Opposition werden die sogenannte Moskau- und die Kairo-Plattform, die aus Sicht Russlands pragmatischer sind, mehr Gewicht bekommen. Ein nicht geklärter Punkt, der auch beim Treffen mit Erdogan am Mittwoch in Sotschi eine Rolle spielen wird, ist eine Inklusion der syrischen Kurden, speziell der stärksten Kraft, der PYD.

Für Ankara ist die PYD, mit ihrem militärischen Arm YPG, nichts anderes als eine Filiale der PKK. Dass sich die USA beim Kampf gegen den "Islamischen Staat" auf die YPG stützen, während die Türken in Syrien gegen die YPG kämpfen, ist für das historische Tief in den amerikanisch-türkischen Beziehungen mitverantwortlich. Diese Kurden wurden aber nun von Russland zu einem neuen Format eingeladen, dem "Nationalen Dialog", der nach einer Verschiebung am 2. Dezember in Sotschi beginnt. Ein Dialog, den "alle Syrer", also auch das Regime, führen sollen.

Eine Rolle für Faruq al-Sharaa?

Die syrische Opposition wünscht sich nach einem Bericht der saudischen Tageszeitung Asharq al-Awsat, dass Faruq al-Sharaa dem "Nationalen Dialog" vorsitzt: Er war Langzeitaußenminister Syriens schon unter Hafiz al-Assad und wurde unter Bashar al-Assad Vizepräsident. Als der Aufstand ausbrach, sprach sich Sharaa für einen Dialog aller aus und kritisierte damit die Repression des Regimes. Sharaa verlor alle Posten, lebt in Damaskus zurückgezogen oder quasi im Hausarrest – er weigerte sich aber, sich der Opposition anzuschließen und Syrien zu verlassen. Der Kreml soll erwägen, ihm eine Rolle in Sotschi zu geben.

Russland steht unter dem Verdacht, mit dem "Nationalen Dialog" den Uno-geführten Prozess in Genf aushebeln zu wollen. Die nächste Genf-Runde beginnt am 28. November und wird bemerkenswerterweise am 1. Dezember unterbrochen, damit die Teilnehmer nach Sotschi fahren können, wonach es am 9. Dezember wieder in Genf weitergeht.

Eine Nebenrolle spielen die USA, die Genf unterstützen, aber nicht den "Nationalen Dialog" in Sotschi. Aus dem Statement nach dem flüchtigen Treffen von Putin und Donald Trump beim Asien-Pazifik-Gipfel in Vietnam kann man jedoch herauslesen, dass sich der US-Präsident nicht sonderlich für die russischen Syrien-Pläne interessiert. Aber immerhin hat ihn Putin über das Gespräch mit Assad telefonisch informiert – genauso wie den saudischen König Salman bin Abdulaziz. (Gudrun Harrer, 22.11.2017)