Wien/Baden – Im Fall eines elfjährigen Flüchtlings, der in Niederösterreich Suizid begangen hat – DER STANDARD berichtete –, hat die Diakonie laut "Falter" schon im Vorjahr kritisiert, dass der Älteste die Obsorge über seine sechs Geschwister erhalten hatte. Laut der am Mittwoch erscheinenden Ausgabe der Zeitung hat Claire Weiß, Leiterin der Diakonie-Einrichtung Baden, Ende 2016 an das Bezirksgericht Baden geschrieben.

Demnach war der 23-Jährige mit der Obsorge für seine allesamt minderjährigen Geschwister überfordert. Der junge Mann würde seiner Aufsichtspflicht nicht nachkommen, keine Schulsachen kaufen und mit den Kindern nicht zum Arzt gehen, heißt es laut "Falter" in dem Schreiben vom 22. Dezember des Vorjahrs. Er sei "oft erboster Stimmung, und sein Leugnen der Realität nimmt manchmal bedrohliche Dimensionen an".

Diakonie wandte sich an Land Niederösterreich

Einer der drei Brüder des 23-Jährigen hat das Downsyndrom. Der Neunjährige sei mehrmals von der Polizei nach Hause gebracht worden, vor Autos gelaufen, im Haus nackt herumgelaufen und habe auf den Gang uriniert. Außerdem gehe er manchmal zu einem Supermarkt und bettle um Essen. Die Diakonie konstatierte bereits zu diesem Zeitpunkt, dass der 23-Jährige nicht der Richtige für die Obsorge sei, und bat das Land Niederösterreich, diese zu übernehmen.

Das Gericht befragte laut "Falter" daraufhin den Badener Bezirkshauptmann Heinz Zimper. Dieser habe zwar eingeräumt, dass es mehrfach Gefährdungsmeldungen gegeben habe und dass insbesondere die drei Mädchen aufgrund der Fluchtgeschichte und bisheriger Erfahrungen psychisch belastet seien. Allerdings erwartete die Bezirkshauptmannschaft eine Besserung nach den Sommerferien: "Wir gehen davon aus, dass sich die Situation stabilisieren wird, sobald Schule und Hort wieder starten und die Kinder einen geregelten Tagesablauf haben."

Laut BH nicht alle Kinder gefährdet

Bezüglich des Neunjährigen mit Downsyndrom sah die Bezirkshauptmannschaft demnach keine Gefährdung. "Schon gar nicht ist eine Gefährdungssituation erkennbar, die alle sechs Kinder betreffen würde, sodass auch die Herausnahme aller Geschwister einer rechtlichen Grundlage derzeit völlig entbehrt", erklärte die BH laut "Falter".

Der Suizid des Flüchtlingsbuben aus Afghanistan war am Freitag bekannt geworden. Der Elfjährige war in einem von der Diakonie betreuten Flüchtlingsquartier in Baden untergebracht, am Sonntag vor einer Woche war die Suizidmeldung bei der Polizei in Baden eingegangen. Am Montag verstarb das Kind im Krankenhaus.

In einer schriftlichen Stellungnahme teilte die zuständige Abteilung in der Landesregierung mit, es habe laut Auskunft jener Stellen, die mit dem Kind zu tun hatten, keine Auffälligkeiten gegeben. Bestimmte Auslöser oder Gründe für diese Handlung seien ebenfalls nicht bekannt. Die Volksanwaltschaft prüft den Fall. (APA, red, 21.11.2017)