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Städte – hier im Bild Kuala Lumpur – erstrahlen immer öfter wie einst "Tron". Das bleibt nicht ohne Folgen.

Foto: APA/EPA/AHMAD YUSNI

Potsdam – Preiswert und effizient in der Lichtausbeute, dazu gerne mit dem Attribut "umweltfreundlich" versehen: Der Siegeszug der LED (Light Emitting Diodes) ist nicht mehr aufzuhalten. Doch wo viel Licht, da auch Schatten: "Viel zu viel Licht, was nicht immer notwendig ist", fasst der Wissenschafter Christopher Kyba vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam den Trend zusammen. Die Folge: zunehmende Lichtverschmutzung. Unter Kybas Leitung entstand eine im Fachjournal "Science Advances" veröffentlichte Studie, die den LED-Trend genauer unter die Lupe nahm.

Während Glühbirnen eine Lebensdauer von 1.000 Stunden haben, können LED-Lampen bis zu 100.000 Stunden strahlen. Die neue Lampen-Generation ist zwar relativ teuer, aber auch beim Energieverbrauch überlegen. Kommunen, Unternehmen und Haushalte, die auf LED umsteigen, wollten zunächst sparen. Doch oft verkehre sich das ins Gegenteil, wenn dann das Geld für weitere und noch hellere Lampen ausgegeben werde, sagt Kyba.

Messbarer Helligkeitsanstieg

Neue Satellitenaufnahmen belegen jetzt die Befürchtung, dass es auf der Erde immer heller wird. Die Forscher haben die Entwicklung der Lichtabstrahlung von 2012 bis 2016 verfolgt. Dabei habe die Intensität des künstlichen Lichts und die Größe der beleuchteten Fläche zugenommen, berichtete Kyba. Seit 2012 seien es weltweit rund zwei Prozent pro Jahr, heißt es in der Studie. Global betrachtet sei das Maß des Anstiegs der künstlichen Beleuchtung mit dem Wachstum des Bruttosozialproduktes verknüpft, so Kyba.

Die Forscher nutzten für die Studie ein Radiometer namens VIIRS (Visible/Infrared Imager Radiometer Suite), das Licht im sichtbaren und nahe dem Infrarotbereich erfasst. Es kreist dem Forschungszentrum zufolge seit Oktober 2011 auf dem Satelliten Suomi-NPP um die Erde. So entstanden nach Angaben von Kyba sehr genaue Karten.

Der Sensor an der Kamera könne jedoch Licht mit Wellenlängen unter 500 Nanometer nicht "sehen". Beim Vergleich mit Aufnahmen vor Beginn des Projektes erschienen einige Städte damit sogar dunkler, obwohl sie gleich hell oder heller strahlten. Die Lichtverschmutzung sei somit noch stärker als von VIIRS gemessen. "LED-Licht bietet viele Möglichkeiten und kann super sein", betonte Kyba. Er befürchtet aber steigende Lichtverschmutzung weltweit.

Die Folgen

Ärger bereitet das zunehmende Licht nicht nur Astronomen, auch auf die Tierwelt wirkt es sich desorientierend aus. "Beim Menschen kann das Licht sogar die Innere Uhr durcheinanderbringen", sagt Franz Hölker, Projektleiter beim Forschungsverbund Verlust der Nacht. LED-Licht am Abend gaukle dem Körper vor, es sei bereits Tag, der Rhythmus komme durcheinander. Lichtverschmutzung wirkt sich auch auf nachtaktive Tiere aus, die sich nur schwer orientieren können. Es müsse über nachhaltigere Formen der Verwendung des Lichts nachgedacht werden, meint Hölker: "Wo ist wie viel in welcher Intensität erforderlich."

Die Kommunen haben derzeit vor allem Einsparungen an Kosten, Energie und CO2 im Blick, wenn sie sich für LED entscheiden, betont Friedrich Henckel, emeritierter Inhaber des Lehrstuhls Stadt- und Regionalökonomie an der Berliner Technischen Universität. "Es fehlt oftmals die Kompetenz und das Know-how, um auch die Qualität des Lichtes zu bewerten." Es müsse Lichtplanungsprojekte geben, in denen Sozialwissenschafter, Planer und auch Naturschützer zusammenarbeiten. An Ort und Stelle sollten sie das Thema gemeinsam angehen.

Kyba sieht Möglichkeiten, dank moderner LED-Technik die Lichtemission um zwei Drittel zu senken, ohne dass Menschen es dunkler empfinden. Er sehe ein großes Potenzial bei der LED-Revolution. Kyba: "Wir müssen aber lernen, es maßvoll und punktgenau dann einzusetzen, wenn es notwendig ist."

Die Lage in Österreich

In Österreich habe es von 2012 bis 2016 im Schnitt einen Anstieg der Lichtabstrahlung von etwa 50 Prozent gegeben, sagt Astronom Günther Wuchterl zu den im Fachjournal "Science Advances" veröffentlichten Daten. Im Vergleich zu den meisten anderen in der Studie erfassten Länder weise Österreich ziemlich starke Anstiege auf. Ein Ort in Österreich hat sich im Beobachtungszeitraum sogar verdoppelt, was – aufgrund der Werte für die Strahlungsstärke – wohl Wien ist.

Einschränkend verweist Wuchterl auf einen Hinweis der Studienautoren, dass Österreich im Oktober 2016 – es wurden in der Studie nur die Messergebnisse von wolkenfreien Oktobernächten herangezogen – Schnee hatte, was die Messergebnisse beeinflusst haben könnte. Mit einem rechnerischen Anstieg der Lichtabstrahlung von rund zehn Prozent pro Jahr seien die Ergebnisse aber "verblüffend nah an dem, was wir für die Umweltanwaltschaft in Wien herausbekommen haben".

Während die Satelliten messen, was direkt nach oben gestrahlt wird, schauen sich Wuchterl und seine Kollegen an, wie viel Energie in die Lichtglocke geht, also was von Wolken und Atmosphäre wieder zurückgestrahlt wird. Und auch hier zeige sich ein Anstieg von rund zehn Prozent pro Jahr. "Man darf diese Übereinstimmung nicht gleich als Bestätigung sehen, aber es ist plausibler als ich gedacht hätte", so Wuchterl. (APA, red, 23. 11. 2017)