Hariri vor ihn feiernden Unterstützern.

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Beirut/Kairo – Ein Bild nationaler Geschlossenheit lieferte die libanesische Führung am Mittwoch anlässlich des Nationalfeiertags. Seite an Seite nahmen Präsident Michel Aoun, Parlamentschef Nabil Berri und Premier Saad Hariri die traditionelle Militärparade im Zentrum von Beirut ab. Nach der überraschenden Rücktrittsankündigung Hariris am 4. November in Riad hatten sämtliche politische Gruppierungen in seltener Geschlossenheit ihren nationalen Stolz verletzt gesehen und sich gegen ausländische Einmischung ausgesprochen. Hariri hatte zuvor zwei Wochen unter nicht genau geklärten Umständen in Saudi-Arabien verweilt, bevor er nach Stationen in Paris, Kairo und Zypern am späten Dienstagabend nach Beirut zurückkehrte. In Beirut hat Hariri endlich sein Schweigen gebrochen und sich zu seiner politischen Zukunft geäußert.

Die hektischen diplomatischen Bemühungen der letzten Tage –vor allem von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, aber auch dem ägyptischen Präsidenten Abdelfattah al-Sisi – haben es dem unter saudischem Druck stehenden Hariri offensichtlich ermöglicht, seinen Rücktritt vorläufig auszusetzen. Diesen Schritt hat er am Mittwoch nach einem kurzen Gespräch mit Präsident Aoun auf dessen Bitte hin bekanntgegeben.

Atempause

Aoun hatte den im saudischen Königreich angekündigten Rücktritt bisher als nicht verfassungskonform abgelehnt. In einer flammenden Rede vor Tausenden seiner jubelnden Anhänger kündigte Hariri an, er werde bleiben und quer durchs Land reisen, um für Freiheit, Stabilität und Souveränität zu kämpfen. Er rief die Bürger zur Einheit auf und skandierte unter tosendem Applaus: "Libanon first!" In dem sich zuspitzenden Machtkampf zwischen Saudi-Arabien und dem Iran hatte sich Riad den Libanon ausgesucht, um den Einfluss der von Teheran unterstützten schiitischen Hisbollah zu brechen.

Mit dem destabilisierende Verhalten der Hisbollah und des Iran hatte Hariri seinen Rücktritt begründet und damit im Libanon eine politische Krise heraufbeschworen. Die Hisbollah hat ein starkes Gewicht im Zedernstaat mit der politischen Partei und einem weitverzweigten Netz an politischen und sozialen Einrichtungen, die oft als Staat im Staat bezeichnet werden. Für Zündstoff sorgt aber der militärische Flügel, insbesondere seit dessen Kämpfer nicht nur der israelische Bedrohung entgegenstehen – ursprünglich ihre Existenzberechtigung –, sondern in regionalen Konflikten in Syrien, im Irak und im Jemen engagiert sind.

Hisbollah in Bewegung

Dieses Engagement im Ausland widerspricht den Absprachen zwischen dem prosyrischen und dem proiranischen Lager, die im Oktober 2016 nach einer Blockade von 29 Monaten zur Wahl von Aoun zum Präsidenten und Hariri zum Regierungschef führten. Welche Garantien oder Zusagen, dass diese Distanzierung zu regionalen Konflikten eingehalten wird, Hariri jetzt erhalten hat, wird sich in den weiteren Gesprächen über eine neue politische Verständigung zeigen. Erste Hinweise sind einer versöhnlichen Rede von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah zu entnehmen. Er kündigte an, dass der Kampf gegen die Jihadisten des IS im Irak nun zu Ende sei und die Kämpfer wieder in die Heimat zurückkehren könnten.

Emmanuel Macron stand zu diesem Thema im Kontakt mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani, der erklärte, die Hisbollah-Waffen seien nur defensiver Natur. Im Jemen nehmen Hisbollah-Kommandeure vor allem am Training von Huthi-Rebellen teil. Auch in Syrien gibt es Bewegung, nachdem Russlands Präsident Wladimir Putin den USA den Rückzug der Hisbollah aus dem Südwesten Syriens zugesagt hat.

Einfache Lösungen für die ex trem komplexen Konstellationen im Libanon gibt es nicht. Die Waffen der Hisbollah waren schon bei früheren Dialogen ein unüberwindbares Hindernis. Die einzige Garantie ist, dass mächtige Akteure innerhalb und außerhalb der Region nicht zulassen werden, dass der saudisch-iranische Machtpoker den Libanon so weit destabilisiert, dass er zu einem weiteren gescheiterten Staat wird. (Astrid Frefel, 22.11.2017)