Der ÖSV will nun vorsorglich Schritte setzen.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Michael Walchhofer, Abfahrtsweltmeister 2003, dreimaliger Gewinner des Abfahrtsweltcups und nunmehriger ÖSV-Vizepräsident, hat von sexuellen Übergriffen "gar nichts mitbekommen".

Foto: APA/BARBARA GINDL

Wien – Der Österreichische Skiverband (ÖSV) setzt als Reaktion auf die STANDARD-Berichte über sexuelle Übergriffe in den Siebzigerjahren Präventivmaßnahmen. Am Mittwoch wurde bei der Präsidentenkonferenz einstimmig ein Paket an vorsorglichen Schritten beschlossen.

Die Presseaussendung des ÖSV kam etwas ungewöhnlich daher. Sie begann mit "Breiten Raum nahm das 45 Jahre zurückliegende Thema 'sexuelle Übergriffe im Sport' von Nicola Werdenigg (gebürtige Spieß) bei der heutigen ÖSV-Präsidentenkonferenz in Innsbruck ein. Einhellig die Meinung aller Anwesenden:" Und nach diesem Doppelpunkt folgte – eine Leerzeile.

Dann ging es mit der nächsten Überschrift weiter. "Als Präventionsmaßnahmen wurden folgende Punkte festgelegt:" Und im Gegensatz zur einhelligen Meinung folgte nun keine Leerzeile, sondern eine Aufzählung mehrerer Punkte, nämlich:

  • "Der bereits 2015 von Präsident Prof. Peter Schröcksnadel installierten Damenbeauftragten Petra Kronberger wird Vizepräsidentin Roswitha Stadlober im Bedarfsfall zur Seite stehen."
  • "Alle Trainer, Betreuer und Masseure werden noch einmal entsprechend informiert und aufgefordert, die Aktiven immer und überall mit dem nötigen Respekt zu behandeln."
  • "Bei Trainerausbildungen wird diesem Thema künftig ein noch breiterer Raum als bisher eingeräumt."
  • "Bei Bekanntwerden eines Verstoßes wird mit aller Härte durchgegriffen."
  • "Der Verband wird weiterhin alle ihm möglichen Maßnahmen treffen, um eventuelle Übergriffe, sexuelle Belästigungen etc. präventiv zu verhindern."

Zur ÖSV-Präsidentenkonferenz muss man wissen, dass sie sich aus 17 Personen zusammensetzt, 16 Männern und einer Frau, nämlich Vizepräsidentin Roswitha Stadlober. Die Slalom-WM-Zweite von 1987 ist es, die Kronberger "im Bedarfsfall zur Seite stehen" soll. Kronberger, die 1991 Weltmeisterin (Abfahrt) und 1992 Doppel-Olympiasiegerin (Slalom, Kombination) war, wurde vor zwei Jahren von ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel zum Verband zurückgeholt. Offiziell lautet Kronbergers Funktion, wie sie im Gespräch mit dem STANDARD betonte, übrigens "Konsulentin für Frauensport".

"Gar nichts mitbekommen"

ÖSV-Vizepräsident Michael Walchhofer war bei der Konferenz verhindert. Er hatte 1999 im Skiweltcup debütiert, trat 2011 zurück. In dieser Zeit, sagt der Abfahrtsweltmeister von 2003 dem STANDARD, habe er von sexuellen Übergriffen "gar nichts mitbekommen". Walchhofer (42) will dennoch "nicht ausschließen, dass auch da etwas passiert ist. Aber ich habe meine Augen garantiert nicht verschlossen, sondern immer offengehalten."

In den 1970ern ist mit Sicherheit etwas passiert. Nicola Werdenigg (ehemals Spieß), Abfahrts-Olympiavierte 1976, und eine weitere Weltcupläuferin hatten schwere Übergriffe bis hin zu einer Vergewaltigung durch einen Mannschaftskollegen öffentlich gemacht. Dazu sagt Walchhofer: "Das ist natürlich absolut inakzeptabel. Es ist wichtig, dass das aufgearbeitet wird, und es ist wichtig, dass man sensibilisiert."

In einem Interview in der "ZiB 2" am Mittwoch erzählte Werdenigg, dass sich nach dem Bericht im STANDARD Sportlerinnen bei ihr gemeldet und "ihre Sachen geschildert" hätten. Zusätzlich zu den vom ÖSV angekündigten Maßnahmen hofft Werdenigg, dass auch Experten wie zum Beispiel Psychologen eingesetzt werden.

Nicola Werdenigg im "ZiB 2"-Interview.
ORF

Wie soll die Aufarbeitung aussehen? Walchhofer sagt, er erwarte viel von Kronberger, die "ein Glücksfall" sei. "Sie war selbst eine Spitzenläuferin, und sie hat eine äußerst hohe Sozialkompetenz." Eine ÖSV-Kommission einzusetzen hält der Zauchenseer Hotelier "nach jetzigem Stand nicht für notwendig". Zunächst müsse man "die Hintergründe besser kennen".

Walchhofer betont, er sei "kein Parteimitglied", und doch führt er derzeit für die ÖVP die Koalitionsgespräche in Sachen Sport mit Petra Steger (FPÖ). Auch auf dieser Ebene habe man die Missbrauchsfälle bereits thematisiert. Walchhofer glaubt nicht, dass sich sexueller Missbrauch im Sport auf den Skisport beschränkt hat. Ob er glaubt, dass sich sexueller Missbrauch im Skisport auf die Siebziger beschränkt hat? "Ich hoffe es." (Fritz Neumann, 22.11.2017)