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Damit die Wüstenameise wieder zurück in ihren Bau findet, verlässt sie sich auf ein ganzes Bündel an Navigationshilfen.
Foto: APA/EPA/Markus Knaden/Max-Planck-Institut

Jena – Die Wüstenameise Cataglyphis fortis lebt im Norden Afrikas und kommt außerhalb ihres Staates viel herum. Die Sechsbeiner verlassen sich auf eine ganze Reihe von Navigationshilfen, um wieder zurück in ihren Bau zu finden, darunter auch optische Hinweise. Dass sie sich dabei nicht so leicht in die Irre führen lassen, haben nun Forscher um Markus Knaden vom Max Planck Institut für chemische Ökologie in Jena unter Beweis gestellt.

C. fortis gilt als kleines Orientierungswunder. Die Ameisen leben in ausgetrockneten Salzseen in der nordafrikanischen Sahara, in einer Gegend also, in der sonst kaum ein anderes Tier zu finden ist. Dort wohnen sie in unterirdischen Nestern und verbringen als Einzeljäger den ganzen Tag auf der Suche nach Nahrung, die in der Regel aus toten Insekten besteht. Dafür müssen sie oft weite Strecken zurücklegen. "Das Besondere an diesen Ameisen ist, dass von der Nahrungssuche heimkehrende Tiere unbedingt das Nest finden müssen.

Man kann sie daher einfangen und in eine beliebige Testsituation versetzen. Während andere Tiere sofort ihr Futterstück fallen lassen und versuchen zu verschwinden, spult die Ameise ihr fest programmiertes Heimkehrverhalten ab. Dadurch lässt sich anhand von Manipulationen der Umgebung sehr gut untersuchen, welche navigatorischen Hilfsmittel die Tiere verwenden" erklärt Knaden.

Forscher vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie haben in einem Feldversuch falsche Duftmarken und Orientierungsmerkmale gesetzt, um zu sehen, wie die Insekten damit zurechtkommen.
Foto: Markus Knaden, Max Planck Institute for Chemical Ecology

Frühere Studien haben gezeigt, dass Wüstenameisen die Sonne als Kompass nutzen und einen integrierten Schrittzähler haben, um zurück in ihr Nest zu finden. Richtungs- und Entfernungsinformationen sind wichtig für die sogenannte "Wegintegration", mit deren Hilfe sie ihren Rückweg "berechnen". Außerdem nutzen sie sichtbare Landmarken sowie Magnet- und Vibrationssinn zur Navigation. Futter und Nesteingang finden sie mit Hilfe ihres äußerst sensiblen Geruchssinns.

Getäuschte Ameisen

Für die neue Studie, die nun im Fachjournal "Current Biology" veröffentlicht wurde, untersuchten die Forscher, wie Ameisen reagieren, wenn sie bestimmte Landmarken am Nesteingang lernen und dann den gleichen Landmarken fernab des Nests wiederbegegnen. "Man muss sich das so vorstellen: Wenn wir uns in einer unbekannten Großstadt an einem markanten Hochhaus orientieren wollen und plötzlich feststellen, dass es weitere Hochhäuser gibt, die ganz ähnlich aussehen. dann sind wir verwirrt. Wir fragten uns also, wie Ameisen dieses Problem lösen", sagt Knaden.

Für ihre Experimente bauten die Wissenschaftler einen 16 Meter langen Aluminiumkanal, in dem die Ameisen lernten, Futter zu suchen. Als Köder stellten die Forscher ein Schälchen mit Kekskrümeln 10 Meter vom künstlichen Nesteingang im Kanal entfernt auf. Sichtbare Landmarken außerhalb des Kanals spielten keine Rolle; die Ameisen konnten jedoch die Sonne als Kompass nutzen. Der unscheinbare Nesteingang wurde mit zwei schwarzen Karten markiert. Später wurden weitere schwarze Karten entlang des Trainingskanals hinzugefügt, um zu sehen, ob sich die Ameisen verwirren lassen.

Video: Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Wüstenameisen auch im Rückwärtsgang ihren Weg so sicher finden wie in der Vorwärtsbewegung.
The Company of Biologists

Ignorierte Ablenkung

"Wir hatten zwar damit gerechnet, dass die Ameisen irgendwie auf diese neue Situation reagieren würden. Dass sie aber die vorher als Nestmarken gelernten schwarzen Karten gänzlich ignorieren, hatten wir nicht erwartet. Besonders erstaunlich war ihr Verhalten gegenüber zweiteiligen Landmarken, also einem schwarzen Quadrat, das außerdem mit einem Duft versehen war. Wenn ein Teil der Landmarke eindeutig, also nur am Nest anzutreffen war, der andere Teil sich aber im Kanal wiederholte, nutzten die Ameisen weiterhin nur den eindeutigen Teil, beispielsweise den Duft, und steuerten ihn bei der Nestsuche an, während sie mehrfach in der Umgebung vorkommende Quadrate außer Acht ließen", fasst Roman Huber die Experimente zusammen.

Da die Ameisen auf der Suche nach Nahrung oft sehr lange Strecken zurücklegen müssen, häufen sich bei der Wegintegration Fehler an. Die Tiere können solche Abweichungen aber durch die zusätzliche Berücksichtigung weiterer Nesthinweise, wie sichtbarer Landmarken oder Düfte, ausgleichen. Forscher waren bisher davon ausgegangen, dass die Entfernung zum Nest entscheidend dafür ist, ob sie mehr der Wegintegration oder anderen Orientierungshilfen vertrauen. Die neue Studie zeigt jedoch, dass die Orientierungsleistung der Wüstenameisen noch komplexer ist, denn sie müssen auch beurteilen können, ob diese Hinweise verlässlich sind oder nicht.

Die neue Studie demonstriert, dass die Orientierungsleistung der Wüstenameisen noch komplexer ist, als bisher angenommen.
Foto: Markus Knaden, Max Planck Institute for Chemical Ecology

Blick ins Ameisen-Gehirn

Die Orientierung von Wüstenameisen wurde in erster Linie in Verhaltensexperimenten erforscht. Die Forscher wollen jetzt einen Schritt weitergehen und für die Ameisen ein Calcium-Imaging-Verfahren etablieren, das ihre Nervenaktivität sichtbar macht. "Je mehr wir darüber erfahren, wie viele Informationen das Ameisengehirn bei der Orientierung berücksichtigen muss, umso mehr interessieren wir uns dafür, wo und wie Riechen und Sehen im Gehirn verarbeitet werden. Diese Methode könnte uns nicht nur zeigen, wo im Gehirn ein Duft wahrgenommen wird, sondern auch, wo festgelegt ist, dass es sich um einen Nestduft handelt. Dieses Wissen brächte uns bei der Erforschung der erstaunlichen Leistungen dieser Insekten einen erheblichen Schritt weiter", meint Knaden. (red, 23.11.2017)