In den USA wird die Telekombehörde FCC im Dezember über neue Regeln zur Netzneutralität abstimmen. Gemäß dem Vorschlag des neuen, von der Trump-Regierung installierten FCC-Vorsitzenden Ajit Pai würden die unter seinem Vorgänger Tom Wheeler erlassenen strengen Regeln dann drastisch aufgeweicht. Einige Kritiker bezeichnen Pais Vorlage als De-facto-Aufhebung der Netzneutralität. Insbesondere große Provider wie Verizon und AT&T haben in den vergangenen Jahren stark gegen die Gleichbehandlungsverpflichtung für alle Datenströme lobbyiert.

Wohin die Reise geht, wenn verbindliche Regeln fehlen oder nicht exekutiert werden, zeigt das Beispiel Portugal, auf das Verfechter der Netzneutralität oft verweisen. Konkret geht es um den Betreiber Meo, der damit begonnen hat, Pakete für einzelne Webdienste zu schnüren.

Die "Smart Net"-Zusatzpakete von Meo.
Screenshot: meo.pt

Erinnert an satirische Grafik

Wer dort sein bestehendes Traffic-Kontingent – die Tarife beinhalten zwischen 500 MB und 30 GB – erweitern will, muss entweder Pakete kaufen, die nur Traffic für bestimmte Online-Services beinhalten, oder deutlich höhere Preise zahlen.

Fünf Euro monatlich (künftig sieben Euro) kostet eine solche Aufstockung, die ein Datenvolumen von zehn GB bringt. Die Add-ons sind eingeteilt in fünf Kategorien: Messaging, Social, Video, Music sowie "E-Mails & Cloud", mit einer teilweise willkürlich wirkenden Aufteilung. Mitunter sind Dienste eines einzelnen Anbieters hier auf die verschiedenen Sektionen aufgeteilt. Die Seite, auf der die "Smart Net"-Angebote gelistet sind, erinnert an eine fabrizierte Grafik, mit der Netzneutralitätsverfechter schon länger vor lockeren Richtlinien warnen, schreibt Techdirt.

Eine der Grafiken, mit denen Verfechter der Netzneutralität vor dem Ende selbiger warnen.
Foto: Imgur

Alternativen deutlich teurer pro Gigabyte

"Messaging" beinhaltet etwa Whatsapp, Skype, Line, Hangouts sowie iMessage und Facetime. Unter "Social" finden sich neben bekannten sozialen Netzwerken auch der Facebook Messenger und Snapchat. Googles Youtube findet sich gemeinsam mit Netflix und Twitch unter "Video", Google Play Music rangiert unter "Music", Gmail und Google Drive wiederum bei "E-Mails & Cloud".

Viele Nutzer, die mit ihrem Basis-Datenvolumen nicht auskommen, werden also notgedrungen mehrere Pakete in Anspruch nehmen müssen. Erschwerend kommt hinzu, dass Meo seine eigenen Dienste – ein Musikportal, eine TV-Plattform und zwei Cloudspeicher-Dienste – ganz generell von der Traffic-Abrechnung ausnimmt. Damit gesellt sich die Problematik des "Zero Ratings", also die Bevorteilung einzelner Angebote als kostenlose Tarifbeigabe oder Ausnahme von der Datenvolumensabrechnung, hinzu.

Prinzipiell können Kunden auch weiteres Datenvolumen zukaufen, das für alle Onlineservices genutzt wird. Das ist jedoch ungleich kostspieliger. Zehn GB schlagen hier mit 20 Euro zu Buche, also dem vierfachen Betrag pro Gigabyte. Als Alternative bleibt nur noch ein Umstieg auf ein teureres Basisangebot.

Diensteanbieter könnten zur Kasse gebeten werden

Dieses Vorgehen ist nicht nur für Kunden ein Problem, sondern auch für die Diensteanbieter. Denn wie man mit seinem Service zu einem Teil eines solchen Zusatzpakets und somit potenziell attraktiver für die Kunden von Meo wird, ist unklar. Es besteht die Befürchtung, dass sich der Provider die Aufnahme in Smart-Net-Pakete künftig bezahlen lässt.

In den USA wäre ein solches Angebot ebenfalls möglich, wenn der neue Vorschlag durchgeht. Journalist Julian Sanchez weist darauf hin, dass US-Provider wahrscheinlich sogar schon heute ein derartiges Tarifmodell einführen können. So stellte die FCC im Jänner bezüglich zweier Angebote von AT&T und Verizon fest, dass diese wegen "Zero Ratings" nicht mit den bestehenden Richtlinien vereinbar seien. Ajit Pai, der zwei Wochen später die Leitung der Behörde übernahm, verabsäumte es aber bislang, dieser Feststellung auch Maßnahmen folgen zu lassen.

Telekombehörde am Zug

In Portugal bleibt eine Reaktion der Telekombehörde Anacom noch abzuwarten, zumal das Land den Netzneutralitätsrichtlinien der EU folgen muss. Anacom ist zuletzt gegen eine Sonderaktion von Meo vorgegangen, bei der der Provider kostenlos mobiles Datenvolumen für begrenzte Zeit um zwei GB aufstockte, um nach Ablauf der Gratisperiode Zusatzgebühren dafür zu verlangen – ohne jedoch vorher die Einwilligung der betroffenen Kunden eingeholt zu haben.

In Österreich sorgt derzeit A1 für Besorgnis hinsichtlich der Wahrung der Netzneutralität. Unter dem Namen "Free Stream" werden dabei verschiedene Streaminganbieter bei mittlerweile zwei Tarifen bevorzugt, indem ihre Nutzung von der Berechnung des verbrauchten Datenvolumens ausgenommen wird. Der Regulator RTR hat diesbezüglich bereits ein Verfahren eingeleitet. (gpi, 23.11.2017)