Straßburg/Wien – Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist einer Beschwerde des STANDARD nicht gefolgt. Der Richtersenat hat keinen Einwand dagegen, dass österreichische Gerichte Kurt S. Recht gaben und 3000 Euro Entschädigung dafür zusprachen, dass er laut STANDARD als "Spiritus Rector" einer "Spitzelaktion vermutet" wurde.

Da ging es um eine Bespitzelungsaffäre 2010 in der Betriebsgesellschaft der Kärntner Landeskrankenhäuser (Kabeg), deren Aufsichtsratschef S., zugleich Klubobmann der Freiheitlichen im Kärntner Landtag war. Ein Vorstandsmitglied der Kabeg soll 2010 laut Vorstandsprotokoll "vorsorglich einen Informanten" in eine Betriebsversammlung von Ärzten eines Kabeg-Spitals geschickt haben, Thema dort: Personalmangel und Spardruck. Scheuch klagte den STANDARD medien- und zivilrechtlich.

Zunächst entschied das Oberlandesgericht Wien, "Spiritus Rector" sei eine rufschädigende Tatsachenbehauptung und keine politische Bewertung und sprach S. 3000 Euro Entschädigung zu. Im Zivilverfahren sah das OLG Wien die Entscheidung des Medienstrafgerichts als bindend.

Der Europäische Gerichtshof räumte zwar ein, dass es in dem Artikel um die Rolle eines Politikers im Kontext einer Bespitzelungsaktion geht und dies jedenfalls eine Frage des öffentlichen Interesses ist. Ebenso, dass S. in seiner Funktion als Politiker jedenfalls eine weiterreichende Kritik als eine Privatperson gefallen lassen müsse. Aber der Drei-Richter-Senat schloss sich dem Befund der österreichischen Gerichte an, dass der Vorwurf des "Spiritus Rector" einer Bespitzelungsaktion im Zusammenhang des Artikels kein Werturteil, sondern eine Tatsachenbehauptung sei, wonach S. Druck auf Journalisten zu ihrer Berichterstattung über die Kabeg ausgeübt und bei der Bespitzelung eine aktive Rolle gespielt habe.

Windhager: Einschränkung der Pressefreiheit

Die Auslegung des vielseitigen Begriffs "spiritus rector" im Gesamtkontext als Tatsachenbehauptung, kommt unerwartet , sagt Medienanwältin Maria Windhager, die den STANDARD in den Verfahren vertreten hat. Bisher hat der EGMR solche Äußerungen als politisches Werturteil für zulässig erkannt, für die gar kein Wahrheitsbeweis verlangt werden darf. Das Abweichen von dieser ständigen Rechtsprechung bedeute eine massive Einschränkung der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit, erklärt Windhager. (red, 24.11.2017)