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Das neue iPhone X von Apple stellt die Kulmination der beiden größten Smartphone-Trends dar.

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Samsung hat das Randlosdesign in den Mainstream gebracht und setzt nun auch auf Dualcams.

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In technischer Hinsicht ist der Innovationsmotor bei unserem wohl wichtigsten Kommunikationsgerät in den letzten Jahren ins Stottern geraten. Längst besitzen selbst günstige Geräte ausreichend Leistung, um uns Nutzern ein breites Spektrum digitaler Tätigkeiten zu erschließen. Die Zeit, in der erwartungsschwangere Menschenmassen tagelang vor Apple-Stores campierten oder sich lange Schlangen für das nächste Samsung-Spitzenhandy bildeten, schien vorbei zu sein. Dann kam das iPhone X. Trotz seines gewagten Preises von mindestens 1150 Euro sorgt es laut den österreichischen Mobilfunkern für mehr Interesse als das zeitgleich vorgestellte iPhone 8.

Streng betrachtet ist Apples neuestes Prunkstück kein riesiger Innovationssprung, aber die Kulmination zweier Trends, die das Smartphone-Geschäft im Jahr 2017 dominiert haben. Wie das iPhone 7 Plus und das iPhone 8 Plus hat auch das iPhone X nicht eine, sondern zwei Kamerasensoren. Die Theorie dahinter: Mehr Bildinformationen ermöglichen eine bessere Software-Nachbearbeitung. Damit sollen Fotos mit mehr Details und weniger Rauschen geknipst werden können. Dazu werden Zusatzfunktionen wie stärkere, künstliche Tiefenunschärfe und eine Zoomfunktion mit weniger Qualitätsverlust ermöglicht.

Doppelkameras

Apple war nicht der erste Hersteller, der eine Dualkamera ins Spiel brachte. Experimentierten andere Hersteller damit aber zuerst noch zaghaft, so brachte das iPhone 7 Plus im vergangenen Herbst eine Lawine ins Rollen. Ob LG, Google, Sony, One Plus, Huawei oder Samsung – Spitzenhandys ohne Doppelkamera sind mittlerweile die Ausnahme. Das Feature hat es auch in die Mittelklasse geschafft, beispielsweise mit dem Moto G5s von Motorola. In China gibt es sogar schon Handys, die um umgerechnet weniger als 100 Euro verkauft werden und ebenfalls zwei Kameras mitbringen. Diese zeigen allerdings, dass zwei Fotosensoren nur dann sinnvoll sind, wenn der Hersteller auch gute Kamerasoftware programmieren kann, die die Bildinformationen sinnvoll zu kombinieren weiß. Andernfalls verkommt die zusätzliche Hardware zu einem Gimmick ohne sichtbaren Mehrwert.

Auch den nächsten logischen Schritt sind manche Handymacher bereits gegangen. Sie stecken nicht nur auf die Rückseite zwei Kameras, sondern auch auf die Front des Telefons. Die potenziellen Vorteile der dualen Aufnahme sollen somit auch zur Geltung kommen, wenn man das eigene Gesicht digital ablichtet. Eine Innovation, gemacht wie für User von Instagram und Snapchat. Eine zweite Tendenz, die sich heuer etabliert hat, ist jene zu möglichst dünnen Rändern. Beinahe freistehend, wirkt ein Handybildschirm damit fast wie ein Fenster, insbesondere wenn man gerade die Kamera verwendet.

Diesen Stein hat allerdings nicht Apple ins Rollen gebracht, sondern der in Europa nur mäßig bekannte Xiaomi-Konzern. Dessen riesiges Randlos-Smartphone Mi Mix war trotz gehobenen Preises offenbar so erfolgreich, dass man erst vor wenigen Wochen schon einen Nachfolger präsentiert hat. Als erster großer Konkurrent zog Samsung mit dem Galaxy S8 nach, es folgten diverse weitere Hersteller. Im September war Apple mit dem iPhone X am Zug, zuletzt legte auch One Plus mit dem Modell 5T nach.

Ohne Zweifel verleiht die Randverschlankung in Kombination mit "Premium"-Gehäusen aus Metall und Glas den Smartphones einen interessanten, futuristischen Look. Und auch hier gibt es schon erste Geräte wie das Wiko View, die diesen Trend in die Mittelklasse holen. Weitere werden in absehbarer Zeit folgen.

Neue Seitenverhältnisse

Das neue Designparadigma soll aber nicht nur schön aussehen, sondern laut den Herstellern auch helfen, größere Bildschirme zu verbauen, ohne die Mobiltelefone durch wachsende Gehäusebreite extrem unhandlich werden zu lassen. Dafür wird auch zunehmend das etablierte 16:9-Format über Bord geworfen und Seitenverhältnisse wie 18:9 verwendet. Damit sollen die Handys auch bereit für neue Breitbildformate von Kinofilmen sein. Wo vorher "Kinn" und "Stirn" des Telefons störten, stören nun allerdings schwarze Abgrenzungsstreifen, denn es liegen erst sehr wenige Bewegtbildinhalte vor, die sich auf den Geräten bildschirmfüllend anzeigen lassen.

Derweil zeichnet sich das nächste Feature ab, das bald große Verbreitung finden könnte: künstliche Intelligenz. Huaweis neues Mate 10 Pro kann dank eines eigenen Zusatzprozessors etwa Fotomotive voneinander unterscheiden und die Aufnahmeeinstellungen entsprechend anpassen. Ähnliches soll auch das Google Pixel 2 in Zukunft können, auch hier ist mit dem "Visual Core" dafür eine eigene Recheneinheit an Bord und soll bald per Software-Update aktiviert werden.

Das iPhone X verfügt seinerseits über eine "Neural Engine". Sie hilft nicht nur der Kamera, sondern lässt auch den integrierten Gesichtsscanner dazulernen, damit er den Besitzer des Telefons zuverlässig erkennt. Nachdem künstliche Intelligenz als wichtiges Zukunftsfeld gilt, wird es wohl nicht lange dauern, bis auch die Konkurrenz ihre Smartphones mit ähnlichen Features aufrüstet. (Georg Pichler, 24.11.2017)