Vier Größen der Digitalwirtschaft – was sie eint, ist ein bis aufs Äußerste optimiertes Steuermanagement.

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Die Umbrüche sind enorm: Unter den Top-20-Unternehmen mit der weltgrößten Marktkapitalisierung sind bereits neun Unternehmen aus der digitalen Wirtschaft, vor zehn Jahren war es nur eines. Mit Apple, Alphabet (Google), Microsoft und Amazon gehen die ersten vier Plätze geschlossen an digitale Technologieunternehmen, die weltweit tätig sind. Sharing-Plattformen wie Airbnb und Uber sind mit ihren Geschäftsmodellen ebenfalls auf der Überholspur.

Im Steuerrecht ist dieser Umbruch bis jetzt aber noch nicht angekommen. Die Grundprinzipien der Unternehmensbesteuerung sind fast 100 Jahre alt und dementsprechend auch nicht mehr zeitgemäß: Mit aktuellen gesetzlichen Regelungen ist es de facto unmöglich, eine faire und angemessene Besteuerung der multinationalen Konzerne sicherzustellen.

Die jüngsten Veröffentlichungen der Paradise Papers, aber auch frühere Dokumente zeigen, wie groß der Handlungsbedarf ist: Für Unternehmen und Superreiche ist es einfach, ihre wirtschaftlichen Aktivitäten und Vermögenswerte so zu strukturieren, dass keine oder kaum Gewinnsteuern anfallen. Das ist nicht ausschließlich ein Problem der digitalen Wirtschaft, aber diesen Unternehmen fällt es besonders leicht, ihre Steuern zu minimieren.

Steuervermeidungsstrategien

Dass die aktuellen Enthüllungen dieser Steuervermeidungsstrategien von Apple und Co keine Einzelfälle sind, lässt sich gut belegen. Die OECD geht in ihren Berechnungen davon aus, dass den Staaten jährlich bis zu 240 Mrd. US-Dollar an Körperschaftsteuereinnahmen durch die Steuertricks verlorengehen, das sind bis zu zehn Prozent der jährlichen Körperschaftsteuereinnahmen weltweit. So fehlen Steuereinnahmen, die für Infrastrukturmaßnahmen, in der Bildung, im Gesundheitswesen oder zur Armutsbekämpfung dringend benötigt werden. Es fehlt der Spielraum, den man dazu nutzen könnte, um den Faktor Arbeit zu entlasten und so für mehr Wachstum und Beschäftigung zu sorgen.

Die EU-Kommission hat deutlich gezeigt, dass die Körperschaftsteuerbelastung mittlerweile extrem ungleich verteilt ist: Für Unternehmen der digitalen Wirtschaft, die ihre Wertschöpfung mit immateriellen Vermögensgegenständen wie Daten, Lizenzen und Markenrechten erzielen, ist die Steuerbelastung mit neun Prozent nur knapp halb so hoch wie die effektive Steuerbelastung der klassischen Wirtschaft mit 18 Prozent. Das führt zu Wettbewerbsverzerrungen. Und das Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaat ist massiv unter Druck, wenn man sieht, wie leicht es für einzelne Gruppen möglich ist, sich geltenden Gesetzen zu entziehen.

Im Gegensatz zu den digitalen Unternehmen, die keine Filialen vor Ort brauchen, um Geschäfte zu machen, ist die Unternehmensbesteuerung aber immer noch Angelegenheit der einzelnen Staaten. Nicht einmal innerhalb der Europäischen Union gibt es hier einheitliche Regeln. Unternehmensgewinne sollen dort besteuert werden, wo die Wertschöpfung erfolgt. Steuerlicher Anknüpfungspunkt dafür ist die Betriebsstätte, wobei hier der Grundsatz gilt, dass immer jene Gewinne besteuert werden sollen, die einer Betriebsstätte zuzuordnen sind.

An die Grenzen gestoßen

Diese Regeln sind bereits in der traditionellen Wirtschaft durch die Globalisierung an ihre Grenzen gestoßen, wie beispielsweise das berühmte Beispiel von Starbucks zeigt. In der digitalen Wirtschaft sind diese Regeln aber mittlerweile völlig ungeeignet, um Internetkonzerne angemessen besteuern zu können. Weil das die Zahlen sind, die die Aktionäre interessieren, ist es im Rechnungswesen selbstverständlich, einen Konzernabschluss und nicht nur die Bilanzen der einzelnen Gesellschaften in den einzelnen Ländern zu veröffentlichen. Steuerrechtlich wird aber ein solcher Gesamtabschluss noch immer blockiert.

OECD und Europäische Union haben dieses Problem mittlerweile erkannt, und das Thema ist auf der politischen Agenda. Der große Wurf ist aber ausgeblieben.

Was muss geschehen? Bei den Regierungsverhandlungen in Österreich ist man sich offenbar darüber einig, dass es digitale Betriebsstätten braucht. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, um wieder sicherzustellen, dass Gewinne am Ort der Wertschöpfung besteuert werden. Aber das Problem ist damit nicht gelöst, der Weg ist weiterhin weit. Einzelmaßnahmen reichen nicht aus. Wenn einzelne Schlupflöcher geschlossen werden, werden die Unternehmen und die Beratungsindustrie neue Strategien zur Steuervermeidung finden.

Ein Paradigmenwechsel ist unumgänglich: Die steuerlichen Rahmenbedingungen müssen an die wirtschaftliche Realität anpasst werden. Anstatt wie bisher die einzelnen Konzerngesellschaften in den einzelnen Staaten zu besteuern, muss man den gesamten Konzerngewinn besteuern und diesen Gewinn auf die einzelnen Staaten, in denen der Konzern wirtschaftlich aktiv ist, verteilen. Erst dann laufen die Steuervermeidungsstrategien, die darauf abzielen, die Konzerngewinne in Niedrigsteuerländern zu verstecken, ins Leere. (Martin Saringer, 24.11.2017)