Die auf den Philippinen geborene Wienerin Cat Jimenez zeigt "Yp_Hand".

Foto: Rudolf Sagmeister

Wien – Anders zu sein könnte etwas Gewinnendes an sich haben. Aber verunsicherten Gemeinschaften oder desorientierten Gesellschaften ist alles suspekt, was aus ihrem infrage gestellten Rahmen fällt. Daher neigen sie dazu, das Andere – oder "die Anderen" – entweder xenophob zu unterdrücken oder exotistisch zu idealisieren. Fatal dabei: In der Klassifikation des "Fremden" geht es überwiegend um Äußerlichkeiten, denen je nach ideologischen Interessen negative oder positive Eigenschaften angedichtet werden.

So geschieht es auch dem Tanz, der verachtet oder angehimmelt wird, in beiden Fällen aber gefälligst immer so aussehen muss, wie Verächter Hinz und Fan Kunz es erwarten. Das zeigt: Hinz und Kunz sind zwar Gegner, aber doch nur Spiegelungen voneinander. Der Wiener Choreograf Elio Gervasi zeigt gerade im Off-Theater einen Drei-Soli-Abend unter dem Titel Reise durch den Spiegel, in dem das Fremdsein von Tanz ebenso reflektiert wird wie individuelles Anderssein.

Drei Soli

Gervasis Tänzerinnen und Mitchoreografinnen Anni Kaila, Hannah Timbrell und Cat Jimenez ist gemeinsam, dass sie ihre Sache auf unterschiedliche Art gut machen. In Kailas Solo In the Wind wird sichtbar, wie komplex das Vokabular des westlichen zeitgenössischen Tanzes ist und wie vielschichtig seine "Erzählung" sein kann. Timbrell wiederum zeigt die Grenzen dieses Vokabulars auf, wenn sie in ihrer Enklave vergeblich der Vereinzelung des Individuums in den Gebinden der Gesellschaft zu entweichen sucht.

Noch um einige Ebenen reicher ist Yp_Hands der in Cebu City, Philippinen, geborenen Cat Jimenez. Die Tänzerin ist seit ihrem vierten Lebensjahr Wienerin und eigentlich auf Urban Styles spezialisiert. Diese konfrontiert sie nun mit Elementen aus dem zeitgenössischen westlichen Tanz und mit blitzlichthaften Anspielungen auf asiatischen Tanz. Yp_Hands beginnt mit einer ans Publikum gerichteten Wortkaskade in einer Sprache, die da garantiert niemand versteht, bevor der Tanz in ihren Körper fährt wie Stromschläge.

Was dann folgt, wirkt wie eine in Choreografie übersetzte Rede zwischen Gewandtheit und Wut, Argument und Tirade, Euphorie und Agonie. Dabei überlappen einander Coolness und Expressivität ebenso wie Nüchternheit und Pathos. Jimenez entzieht dem Urban Dance das Show-Off und ersetzt es durch Virtuosität in der Textur ihrer Bewegungen. Ein atemberaubender Tanz, der die aktuelle Auseinandersetzung mit "Identität" aus ihrem engen Rahmen sprengt. (Helmut Ploebst, 24.11.2017)