Ascensión López lässt sich von der Vereinigung gestohlener Babys beraten. Die will den Fall erneut vor Gericht bringen.

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Ein Foto von Ascensión López aus ihrer Kindheit.

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Jedes Mal, wenn es an der Tür klingelt, bekommt Ascensión López regelrechte Angstzustände. Die 53-Jährige aus dem südspanischen Almería denkt dann: "Jetzt ist es so weit. Jetzt kommt der Haftbefehl." Ihr Verbrechen: Sie forschte in ihrer Vergangenheit und machte öffentlich, was sie herausgefunden hatte. Sie wurde von ihren Adoptiveltern 1964 im Krankenhaus Cinco Llagas in Sevilla gekauft. Wer ihre eigentliche Mutter ist, ob sie ihr weggenommen wurde oder ob diese in die Adoption einwilligte, López weiß es nicht. Doch der Verdacht liegt nahe: "Ich bin ein gestohlenes Baby."

López hat Unterlagen, die belegen, dass eine Nichte ihres Adoptivvaters, die Nonne Dolores Baena, in ihre Adoption verwickelt war. Sie steht in zwei der drei Dokumente, die López in langen Jahren der Nachforschung zusammengetragen hat. Als López im Oktober 2013 im Fernsehen von ihrem Fall berichtete – "in der Hoffnung, meine richtige Mutter könnte das sehen" – wurde sie von der Nonne wegen Verleumdung angezeigt und zu 40.000 Euro Entschädigung, 3000 Euro Strafe und zur Übernahme der Gerichtskosten verurteilt.

"Vielleicht bin ich Weihnachten gar nicht zu Hause"

López hat das Geld nicht. Sie ist seit langem aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig. Wer nicht zahlt, muss in Haft. Im Fall von López sind es fünf Monate. "Vielleicht bin ich Weihnachten gar nicht zu Hause", befürchtet die Mutter zweier arbeitsloser Kinder. Ein Antrag auf Begnadigung, eingereicht von 90.000 Unterstützern, wurde vom Justizminister vor wenigen Tagen abgelehnt.

"Bebés robados", "gestohlene Babys", werden in Spanien die Opfer eines perfiden Menschenhandels genannt. Den Müttern, meist aus einfachen Verhältnissen, oft sehr jung und alleinstehend, wurde erklärt, ihr Kind sei bei der Geburt verstorben. Anschließend wurden die Babys an reiche Familien verkauft. Das passierte so seit Beginn der Franco-Diktatur und bis weit hinein in die Demokratie. Betroffenenorganisationen vermuten, dass bis zu 300.000 Babys dieses Schicksal ereilte. Verwickelt waren Ärzte und immer wieder Ordensschwestern wie auch im Falle von López.

Dass Geld geflossen ist, weiß López von ihrer längst verstorbenen Mutter. "Viel mehr hat sie mir nie erzählt", sagt sie und vermutet, dass ihre Mutter auch gar nicht mehr wusste. "Mein Adoptivvater waren treuer Anhänger der Diktatur und sehr katholisch. Er entschied alles allein", sagt sie.

Im Alter von acht Jahren schöpfte López erstmals Verdacht: "Als mein Vater starb, schleuderte mir eine Verwandte ins Gesicht: Was heulst du? Der Mann hat doch gar nichts mit dir zu tun."

Unstimmige Dokumente

Das Mädchen stellte Fragen und bekam widersprüchliche Antworten, bis ihre Mutter die Adoption gestand und später die Sache mit dem Geld. Im Jahr 2012, ermutigt durch erste gestohlene Babys, die für Schlagzeilen sorgten, begann auch López nachzuforschen und fand nur Unstimmiges. In drei unterschiedlichen Geburtsurkunden war sie mit drei verschiedenen Vornamen eingetragen. Das Datum ihrer Taufe liegt gar vor ihrem Geburtsdatum. Unterlagen über die Adoption als solche konnte sie keine finden.

"Der Fall ist sehr schwierig", erklärt Alfonso Cárdenas, Vorstandsmitglied der Vereinigung gestohlener Babys in Sevilla, das der Frau zur Seite steht. Im Verleumdungsverfahren hatte López nur einen Pflichtverteidiger, und der habe schlecht gearbeitet, sagt er. Jetzt versuchen die Anwälte, den Fall erneut aufzurollen. Ob das gelingt, ist aber alles andere als sicher. (Reiner Wandler aus Madrid, 25.11.2017)