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Bis das europäische Pensionsprodukt steht, müssen noch viele Baustellen beseitigt werden.


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Die Idee scheint grundsätzlich in Ordnung: Ein europaweites privates Vorsorgeprodukt zu etablieren, das den Verbrauchern beim Sparen für ihren Ruhestand helfen soll und zudem "mitnahmefähig" ist, also bei einem Umzug in einen anderen EU-Mitgliedsstaat problemlos unter gleichen Bedingungen weiter bespart werden kann.

"Es ist auf jeden Fall ein Prestigeprojekt der Europäischen Kommission", stellt Johannes Muschik, Obmann des Branchenverbands der selbstständigen Versicherungsvermittler und Finanzberater Österreichs (AFPA), fest.

Zwischen Idee und Wirklichkeit

In einer Pressemitteilung malte die Kommission das "Pan-European Pension Product", kurz PEPP, in den schönsten Farben: Die Kunden könnten aus einer breiteren Palette an wettbewerbsfähigeren Produkten zur Altersvorsorge mit EU-weit einheitlichen Merkmalen auswählen. Den Verbrauchern würden strenge Kundeninformationspflichten und Vertriebsvorschriften zugutekommen, die auch für den Onlinevertrieb gelten. Die Sparer hätten das Recht, alle fünf Jahre zu gedeckelten Kosten den Anbieter zu wechseln, egal ob aus dem eigenen oder einem anderen Mitgliedsland.

"Das neue Produkt wird als Gütesiegel fungieren, es wird langfristige Investitionen in die Kapitalmärkte fördern", sagt Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis euphorisch. So würden die im Rahmen der Investitionsoffensive gesetzten Ziele unterstützt, die Infrastruktur zu modernisieren, das Wachstum anzukurbeln und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern.

Das EU-weit einheitliche Produkt zur privaten Pensionsvorsorge soll die dritte Vorsorgesäule ergänzen.
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Zu guter Letzt soll die neue Produktkategorie die Vollendung der Kapitalmarktunion pushen. Und die Produktanbieter wie Banken, Versicherungen, betriebliche Pensionskassen, Wertpapier- und Vermögensverwaltungsfirmen wären in der Lage, künftig europaweit ein einfaches und innovatives privates Vorsorgeprodukt zu offerieren. Das PEPP soll die bestehende staatliche, betriebliche und private Säule ergänzen, letztere aber weder ersetzen noch harmonisieren.

Ernster Hintergrund

Es stimmt schon: Europas Markt für die private Altersvorsorge ist zersplittert und uneinheitlich. Während sich die Angebote in einigen wenigen Staaten konzentrieren, fehlen sie in anderen nahezu völlig. Und derzeit haben nur 27 Prozent der Europäer zwischen 25 und 59 Jahren eine private Vorsorge abgeschlossen. Über die kommenden 50 Jahre dürfte sich das Verhältnis von Erwerbstätigen zu Pensionisten in der EU von vier zu eins auf zwei zu eins halbieren, so die Expertenschätzungen.

Allerdings: Das PEPP ist noch reiflich unausgegoren. "Das beginnt schon damit, dass (noch) nicht klar ist, für wen das Produkt gelten soll – nur für jene rund drei Prozent Europäer, die tatsächlich grenzüberschreitende, unstete Erwerbsverläufe haben, oder für alle", erklärt Muschik.

Garantie und Kosten

Für die kleine, aber wachsende Zahl von Menschen, die in unterschiedlichen Staaten Rentenansprüche erwerben, könnten PEPPs tatsächlich mehr Durchgängigkeit bringen, etwa indem unnötige Kosten durch wiederholte Neuabschlüsse von Verträgen vermieden werden.

An der Kapitalgarantie wiederum haben sich schon andere die Zähne ausgebissen. "Sie verpflichtend einführen zu wollen sehe ich als Fehlentscheidung an", sagt Otto Lucius, Vorsitzender des Österreichischen Verbands Financial Planners (OVFP). Wozu das führen kann, habe man in Österreich bei der staatlich geförderten Zukunftsvorsorge gesehen: viele unzufriedene Kunden, weil sie ausgestoppt worden sind und dann bei der Erholung der Märkte nicht dabei waren.

Eine Garantie kostet immer – und geht damit zulasten der Performance. "Und derzeit ist die Performance bei 'sicherer' Geldanlage, und das ist ja vorgesehen, eher schwach. Und wenn es dann, wie Konsumentenschützer fordern, auch noch eine Inflationsabgeltung geben soll, wird sich die Rendite bestenfalls auf der Nulllinie bewegen."

Längerer Zeithorizont

Sollen PEPPs in erster Linie kostenschonend online vertrieben werden, stellt sich die Frage, warum die EU-Gesetzgeber auf der anderen Seite immer mehr Augenmerk auf Beratung und Konsumentenschutz legen, hier müssten die Kunden sich andererseits nicht nur gut in Kapitalmarktfragen auskennen, sondern auch Bereitschaft zeigen, von sich aus auf derartigen Plattformen Produkte zu zeichnen, sagt Muschik.

Ein ähnliches Ansinnen in der Tschechischen Republik sei nicht von Erfolg gekrönt gewesen. "Wer auch immer es verkauft, wird – zu Recht – etwas daran verdienen wollen, schließlich geht dieser ja auch Haftungen ein."

Steuerliche Hürden erschweren das EU-Modell.
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Auch die Onlineplattformen müssten daher reguliert sein, wer hätte darüber die Kontrolle – was, wenn eine Plattform versagt oder ein Betreiber in Konkurs geht? "Ich glaube, die Kommission unterschätzt insgesamt den Aufwand." Da es sich zudem um Langfristprodukte handelt, müssen die Anbieter über die volle Laufzeit garantieren, dass das Produkt am Markt bleibt. Und wenn es ein Ladenhüter wird?

Auch die Wechselmöglichkeit alle fünf Jahre löst auf Expertenebene Diskussionen aus. Während Muschik ein Lebenszyklusmodell favorisiert mit einer Prämienfreistellungsoption, weil sich Lebensumstände rasch ändern können, sind für andere die fünf Jahre fast zu kurz. Lucius: "Eine sinnvolle, langfristige Anlage seitens des Produktanbieters ist so nur schwer möglich."

Eine Rückzahlungsmöglichkeit zu fordern sei in seinen Augen wenig sinnvoll, denn dann könne man sein Geld gleich auf dem Sparbuch mit einem Jahr oder drei Jahren Bindungsfrist belassen. "Veranlagungen auf dem Kapitalmarkt erfordern immer einen längeren Zeithorizont", sagt Lucius.

Steuerlicher Albtraum

Woran das Projekt zur Erweiterung der dritten Pensionssäule aber letztendlich scheitern wird, ist Muschik überzeugt, ist die Steuerfrage. Derzeit ist die Besteuerung solcher Produkte in den einzelnen Ländern unterschiedlich. "Die Mitgliedsländer werden ihre Steuerhoheit nicht aufgeben."

Die Kommission ermutigt die Mitgliedstaaten, PEPPs dieselbe steuerliche Vergünstigung zukommen zu lassen wie vergleichbaren nationalen Produkten, selbst wenn das PEPP die hierfür auf nationaler Ebene geltenden Kriterien nicht gänzlich erfüllt. Im Moment sind die Modalitäten bezüglich steuerlicher Behandlung von Ein- oder Auszahlung oder der Kapitalerträge sehr unterschiedlich. Der Sparer brauchte hier vor allem Rechtssicherheit über sehr lange Zeiträume. (Linda Benkö, Portfolio, 2017)