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Anleger bekommen wieder Appetit auf China. Projekte wie die Seidenstraße machen das Land für Investoren wieder interessant.

Foto: Reuters / Aly Song

Wer an Chinas kapitalistischer Börse mitspekulieren will, sollte das Kleingedruckte im neuen Statut der Kommunistischen Partei lesen. Nicht um nachzuschauen, ob sich darin das Marx'sche Postulat über die "Aufhebung" des privaten Eigentums noch versteckt, das einst in seinem Kommunistischen Manifest 1848 stand. Davon steht nichts mehr bei Chinas KP. Doch Parteichef Xi Jinping gelang es im November beim 19. Parteitag, 107 Änderungen in der Verfassung seiner Partei zu verankern.

Dazu gehört auch seine weltweite Seidenstraßen-Initiative. Sie ist ein entscheidender Baustein in Xis Entwicklungsplänen, um China in drei Phasen bis 2020, 2035 und bis 2050 zum modernen Industriestaat und zur Weltmacht aufsteigen zu lassen. Um daraus "Kampfziele der Partei" zu machen, hat er sein "Xi-Jinping-Denken" in das Statut hineinschreiben lassen. Xi hat sich so das oberste Interpretationsrecht über den zukünftigen Wirtschafts- und Wachstumskurs seines Landes gesichert – und auch über sein Lieblingsprojekt, der Seidenstraße, auf der China über die Welt kommt.

Erst 2013 hat Xi das "One Belt and One Road" (Obor) genannte Konzept auf den Weg gebracht. China will sich auf dem Land- und dem Seeweg mit 65 Ländern infrastrukturell verbinden und wirtschaftlich vernetzen. Die beiden Seidenstraßen führen über 65 Staaten und Küstenländer von Russland und durch Zentralasien, von Südostasien, Afrika und Nahost bis nach Europa.

Türenöffner Seidenstraße

Den Löwenanteil der Infrastruktur werden Chinas Unternehmen bauen. Die Investitionen sollten über neu geschaffene und von Peking initiierte Fonds wie den "Silkroad-Fond" oder die Internationale Asiatische Infrastruktur-Bank (AIIB) angeschoben werden. Immer rascher springen neue Fonds, Banken und Börsen auf den fahrenden Seidenstraßen-Zug auf.

Die Seidenstraßen der Moderne verbinden den Nordwesten Chinas mit Europa.
Foto: merics, WKO, Digital Silk Road, Financial Times

Das wundert Andrew Polk, Partner der Pekinger Consultingfirma Trivium China, nicht. "Vorhaben, die wie die Seidenstraße jetzt auch über die Parteischiene verankert sind, haben automatisch Priorität. Solche Projekte finden leichter als andere Zugang zu Investitionen, zu Krediten und in die Börsen, selbst wenn sie risikoreich sind."

Das neue Zauberwort "Seidenstraße" öffnet Chinas Türen jedenfalls noch schneller. Anfang November gründete der US-Konzernriese General Electric (GE) mit dem Silkroad-Fond eine Investitionsplattform zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten wie Stromnetze, neue Energien, Öl-und Gasförderung für Länder entlang der Seidenstraßen. Europäische Hafenstädte von Riga bis Duisburg haben sich zu Drehscheiben für Logistik und Bahntransporte von und nach China erklärt.

Verlauf unklar

Dabei wird immer unklarer, wo die Seidenstraßen beginnen und wo sie enden. Mit den Karawanenwegen, über die sich handelsreisende Abenteurer von Europa und Arabien nach China durchschlugen, hat das nichts mehr zu tun. Peking denkt längst an weltumspannende Konnektivität mit China als ihrem Zentrum.

Zur"Belt and Road"-Konferenz im Mai lud Peking auch die Staatschefs von Chile und Argentinien ein. Außenminister Wang Yi verglich die Seidenstraße mit einem Kreis um die Welt. Dieser schließt sogar die Arktis mit ein. Im Juli tauften Staatschef Xi und Russlands Wladimir Putin ihre Nordmeer-Routen "Seidenstraßen über Eis". Chinas Handelsministerium (Mofcom) will mit Russland die arktischen Regionen infrastrukturell für Tourismus, Expeditionen und Handel erschließen.

Chinas Seetransportgigant Cosco will Öl- und Gasvorräte fördern. Die Dynamik, mit der Staatschef Xi die Seidenstraßen-Initiative anschieben lässt, wird von Chinas Binnenwachstum angefeuert. Es hat sich auf einer Höhe zwischen sechs und sieben Prozent Wachstum eingependelt. Peking konnte den Fall seiner Devisenvorräte stoppen und die Kapitalflucht kontrollieren.

Appetit geweckt

Solche Rahmenbedingungen haben bei Auslandsinvestoren wieder Appetit auf Chinas Finanz- und Aktienmärkte geweckt, trotz des Supercrashs 2015, Problemen mit Insiderhandel, Intransparenz und Spielbankenmentalität. Aber neue Reformen sollen einheimische Börsen für Ausländer gesellschaftsfähig und Seidenstraßen-Projekte zu Anlegerlieblingen machen.

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Investoren schmecken in China nicht nur die klassischen Nudeln. Auch die Anlagechancen machen wieder Appetit auf das Reich der Mitte.
Foto: Reuters/Pichi Chuang

Die Aktienmärkte Schanghai und Shenzhen experimentieren seit 2016 mit Verbindungsprogrammen (Stock-Connect) zur Börse von Hongkong. Ausländische Anleger können so aber immer noch erst sehr begrenzt chinesische A-Aktien kaufen. Diese lassen sich auch über verbesserte "Qualifizierte Investorenprogramme für ausländische Institutionelle Anleger" erwerben. Als dritter Schritt wurden im Juli chinesische A-Aktien in die Indizes MSCI Emerging Market und MSCI All Country World aufgenommen.

Chinas Zentralbank bezifferte den Gesamtwert einheimischer Aktien in ausländischer Hand für Ende September erstmals mit mehr als 1,02 Billionen Renminbi (umgerechnet rund 130 Milliarden Euro). Im Januar waren es noch 700 Milliarden RMB. Die Summen sind allerdings verschwindend gering angesichts der 60fach höheren Kapitalisierung des einheimischen Marktes.

Peking weiß, wie abgeschlossen und undurchsichtig seine Märkte noch sind. Im November versprach Schanghais Börsenchef Wu Qing weitere Öffnung unter Berufung auf die Seidenstraßen-Initiative. Er kaufte sich bereits bei der Börse von Pakistan ein. Das sei nur der Anfang. Ähnlich wie mit Hongkong plant Wu auch ein "Shanghai-London-Stock-Connect", um seine einheimischen Aktien für ausländische Anleger zugänglicher zu machen. Einen Zeitpunkt gebe es aber noch nicht, sagte er dem Finanzmagazin Caixin.

Parallel dazu will auch die Zentralregierung als Erstes den Finanzbereich liberalisieren. In Kürze sollen Auslandsinvestoren in Gemeinschaftsunternehmen der Bereiche Futures, Wertpapiere oder Fonds ihren Anteil von bislang 49 Prozent auf 51 Prozent erhöhen dürfen. Vizefinanzminister Zhu Guangyao versprach, dass nach drei Jahre alle Beschränkungen fallen würden. Ähnliches soll auch für Auslandsbeteiligungen an chinesischen Lebensversicherern gelten. Diese Reform starte aber erst in drei Jahren. Auch die Grenzen von nur 20 Prozent für Auslandsbeteiligungen an chinesischen Banken sollen fallen.

Peking will so zehn Jahre Reformstau im Finanzsektor beenden. Es wird höchste Zeit. Nach der Bankenaufsichtsbehörde fiel der Anteil ausländischer Einlagen am Bankengeschäft von 2007 noch 2,38 Prozent auf 2016 nur 1,26 Prozent. Ähnlich schwach sieht es bei den Versicherungen aus.

Offenheit mit vielen Schranken

Doch reformiert werden nur Bereiche, wo Peking sich Vorteile verspricht. Für ausländische Autohersteller etwa bleibt der Zwang zu Joint Ventures und Minderheitenbeteiligungen bestehen. Vize-Finanzminister Zhu kündigte künftige Ausnahmen nur für solche Auslandsinvestoren an, die in Neue-Energie-Fahrzeuge (NEV) investieren und sie in Freihandelzonen herstellen. Mit wirklicher Marktöffnung hat das noch wenig zu tun. (Johnny Erling aus Peking, Portfolio 2017)