Samstag, später Vormittag in Wien. Während andere dem Verkehrsaufkommen auf der Straße nach zu urteilen ihre Besorgungen erledigen, ist der Tisch in einer Wohnung im zweiten Wiener Gemeindebezirk schon reichlich gedeckt.

Müsli, Falafel, Chiapudding mit Himbeeren, Früchte, Kuchen, Käse, Brot und Gebäck, das meiste ist hier ganz offensichtlich selbst zubereitet. Die Gastgeber halten viel von gutem Essen, so viel ist auf den ersten Blick zu sehen. Ein Grüppchen junger Leute trifft sich hier zum gemeinsamen Brunch.

Allesamt der vieldiskutierten Generation Y, auch Millennials genannt, zuzurechnen. Jener Altersgruppe, die zwischen 1980 und 2000 geboren wurde. Junge Menschen, die als Digital Natives aufwuchsen, die die Globalisierung in vollen Zügen miterlebten – und die sich durch ein so hohes Bildungsniveau wie nie zuvor auszeichnen. Man sagt ihnen nach, dass ihnen Sinn in der Arbeit und Freude daran wichtiger sind als Status, Prestige und Geld.

Unsichere Zeiten? Schon, aber für die meisten an diesem Tisch war das schon immer so. Und ein Leben neben dem Job, das muss sein. Von einer ungesunden Work-Life-Balance hält man hier nichts.
Foto: Robert Newald

Die Gäste treffen pünktlich ein. Es ist laut, man hat sich eine Zeitlang nicht gesehen. Die eine oder andere Neuigkeit wird noch während des Auskleidens erzählt. Die Letzten im Reigen sind ein Paar mit Kind. Müde ist es und zum Scherzen nicht aufgelegt, wie es den Anwesenden deutlich klarmacht.

Gute Zeiten, schlechte Zeiten? Das soll heute das Gesprächsthema sein. Immerhin ist die Generation auch jene, die just im Windschatten der Finanzkrise den Berufseinstieg schaffen sollte, die die gestiegenen Kosten für Wohnraum zu verdauen hat – und der man vor Augen hält, dass das heimische Pensionssystem alles andere als nachhaltig ist. Und das bei einem Zinsumfeld, das den Vermögensaufbau nicht gerade erleichtert. Wie gelingt in diesem Umfeld der Berufseinstieg, wie gestaltet sich das Leben?

Bis alle am Tisch Platz genommen haben, verstreichen einige Minuten. Um die dreijährige Mila an den Tisch zu bekommen, muss Papa Dominik Bernhofer einiges an diplomatischem Geschick aufbringen. Mila will eine neue Hose und quengelt. "Mila, du bist nicht nass, ich hole dir keine Wechselhose", wird dem Mädchen beschieden. "Das sind unsere Sorgen im Moment", scherzt Dominik.

Und wie um ihm recht zu geben, besteht Mila auf dem Hosentausch. Ablenken lässt sie sich dann nicht mit dem mitgebrachten Biokakao, aber mit einer Honigsemmel. Für sie sind jetzt wieder gute Zeiten. Das Hosenproblem ist in den Hintergrund gerückt. Die mitgebrachte Puppe namens Baby ist plötzlich krank und muss versorgt werden. "Mama, du bist der Arzt." "Ärztin, Mila, ich bin eine Frau", sagt Mama Milena Bernhofer belustigt und entspannt.

Wie sieht es bei den Eltern aus? Wie sehr steht man als Jungfamilie unter Druck? Wie schafft man es, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen? Dominik ist Ökonom und hat einen gutbezahlten Job, seine Frau Milena, eine ausgebildete Tourismusfachfrau, orientiert sich jetzt um.

Viele Jahre hat sie für amerikanische Schülergruppen Reisen in Europa organisiert, später für einen amerikanischen Anbieter Reiseleitung auf Flusskreuzfahrtschiffen zwischen Amsterdam und Wien gemacht. Sie hat ziemlich gut verdient – auf Werkvertragsbasis. "Nach österreichischem Recht vermutlich nicht haltbar", sagt sie. Dagegen gewehrt habe sich niemand, weil niemand seinen Job verlieren wollte.

Milena Bernhofer (31) (von links nach rechts oben), Michaela Wareyka (28), Nora Fichtenbauer (20), Julian Ruths (29) (von links nach rechts unten), Sebastian Lechleitner (28), Dominik Bernhofer (32).
Foto: Robert Newald

Jetzt macht sie ein Lehramtsstudium, "weil für reiche Leute Reiseführungen zu machen, ist mir als Beitrag für die Gesellschaft zu wenig. Wenn es zumindest zwei Schüler in meiner Klasse sind, denen ich etwas mitgeben kann, hoffe ich, dass mich das ein bisschen mehr befriedigt."

Finanziell stehen die beiden nicht unter Druck. Auch wenn es "ein Wahnsinn ist, wie viel man in Wien für eine Wohnung bezahlt", sagt Dominik. "Als Familie brauchst du 100 Quadratmeter, wenn du noch über ein zweites Kind nachdenkst." Mit Anfang 30 das finanzieren zu können, sei eine Herausforderung, obwohl beide Eigenmittel einbringen konnten. 5.000 Euro für den Quadratmeter haben sie bezahlt.

Davor hatten sie überlegt, in die alte Heimat Oberösterreich zurückzugehen und dort ein Haus zu bauen. "Wir waren sogar schon beim Notar", sagt Milena. Am Ende gaben Freunde und Berufsaussichten den Ausschlag. Man blieb in Wien. Allein sind sie mit diesen Überlegungen nicht, pflichtet Michaela Wareyka bei. Auch sie kommt aus Oberösterreich: "In meinem Freundeskreis überlegen sehr viele, ob sie nicht wieder aus Wien wegziehen."

Die Einkommenssituation der jungen Menschen hier am Tisch ist nicht schlecht für die meisten. Noch liegt die Zeit nicht allzu weit zurück, als man mit 600 bis 700 Euro Unterstützung der Eltern während der Ausbildung auskommen musste. Oder es immer noch muss, wie Michaela, die in der Endphase ihres Lehramtsstudiums ist. Mit einem Nebenjob verdient sie etwas dazu. Das geht sich aus, selbst wenn man Miete bezahlen muss, lautet der Tenor.

Und wenn man nicht im Studentenheim wohnt, sondern in einer Wohngemeinschaft. Oder wenn man sich rechtzeitig für eine Genossenschaftswohnung angemeldet hat, merkt Gastgeber Sebastian Lechleitner an. Und wenn die Eltern den Finanzierungsbeitrag beisteuern. 567 Euro Miete kalt für rund 70 Quadratmeter zahlen er und seine Freundin jetzt. Vergleichsweise günstig, wie alle finden.

Wohnen ist eine teure Angelegenheit, vor allem in Wien, weswegen es Überlegungen gibt, sich wieder Richtung Land zu orientieren.
Foto: APA/Fohringer

Ob er die Kaufoption ziehen will, weiß Sebastian noch nicht. Denn wenn aus dem Paar eine Jungfamilie werden sollte, ist diese Wohnung zu klein. Bis dahin könne aber noch viel geschehen. Unsicherheit verunsichert die jungen Leute hier am Tisch offensichtlich nicht. Man ist – anders als die Generation davor – damit aufgewachsen. Terroranschlag in New York, weltweite Kriege und Krisen, die Finanz- und Eurokrise mit steigender Arbeitslosigkeit gehörten zum Erwachsenwerden dazu. Mila tangiert das alles herzlich wenig. Mittlerweile ist sie aufgetaut. Der Papa kümmert sich um sie. Wir wechseln das Thema.

Man ist sich einig, dass es das Leben gut mit einem meint. Und dass man keinerlei Absicht habe, sich das verderben zu lassen. "Würde ich das Angebot bekommen, zehn Stunden mehr zu arbeiten für zehn Prozent mehr Gehalt, wäre das nicht unbedingt eine Option. Mein Gehalt ist in Ordnung, mir geht es gut, und da habe ich meine Freizeit einfach lieber", sagt Julian Ruths. Schön und gut kontert Michaela: "Da kannst du aber schon gut davon leben."

Julian ist Softwareentwickler. Davor hat er technische Mathematik studiert. Superintelligent, um dann die Superjobs abzustauben und dort die Superkohle zu verdienen, mit diesen Zuschreibungen kann er sich nicht ganz identifizieren. "Du kannst nur manche Sachen besser als andere", sagt er. Eine Woche hat er nach Beendigung seines Studiums einen Job gesucht. Hatte der das schon im Kopf bei der Studienwahl? "Ich habe einmal überlegt, ob ich Musik studiere oder Mathematik." Die Wahl fiel auf Mathematik, "weil du beim Musikstudium acht Stunden am Tag üben musst. Das wollte ich nicht."

Auch Nora Fichtenbauer weiß, was sie will und was nicht. Sie ist die Jüngste am Tisch. Trotzdem arbeitet sie schon länger als die meisten hier. Gejobbt hat sie schon, als sie noch zur Schule ging, bis zur Matura. In ihrer derzeitigen Stelle als Verantwortliche für den Veranstaltungsbereich in einem bekannten Wiener Kaffeehaus hat sie jüngst ihre Stunden reduziert, um daneben ein Studium zu beginnen. Politikwissenschaften.

Ob das die richtige Wahl ist, darüber ist sie sich noch nicht ganz im Klaren. "Ich will etwas machen, das mir persönlich etwas bringt, aber finanziell sollte es mich auch weiterbringen. Denn abgesehen von der Schmuckkiste meiner Mutter werde ich kaum etwas erben."

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Noch nie wurde in Österreich so viel Vermögen vererbt. In nennenswertem Ausmaß profitiert davon allerdings die Minderheit.
Foto: Hans Wiedl/Dpa

Womit dann noch der Bogen zur Zukunft geschlagen wird. Noch nie wurde in Österreich so viel Vermögen vererbt. Hier am Tisch gehört die Minderheit zu den Glücklichen, die davon in größerem Ausmaß profitieren. Nora zählt nicht dazu, und darüber denkt sie auch schon nach: "Meine Mutter wohnt in einer Mietwohnung. Sie geht demnächst in Pension und hat wahnsinnige Panik, dass sich das nicht ausgehen könnte. In dieser Situation will ich in vierzig Jahren nicht sein."

Auch Milena macht sich da so ihre Gedanken: "Ich wusste immer, ich werde nichts erben, und wenn ich es versaue mit meinem Job, kann mich niemand auffangen. Das hat mich extrem gestresst." Deswegen habe sie eine Berufsausbildung dem Studium vorgezogen. "Ich war auch immer extrem sparsam und habe mir etwas zur Seite gelegt. Auch weil ich immer reisen wollte."

Nicht immer hatte sie ein glückliches Händchen beim Sparen. Sie gehört zu jenen Anlegern, die bei der AVW-Pleite Geld verloren haben. Jetzt ist ihr Vertrauen ziemlich angeknackst: "Wir haben eine Haushaltsversicherung, und das ist alles." Die beste Anlage sei derzeit wohl das vorzeitige Abzahlen des Kredits, ergänzt Dominik. "Mila, wie ist das, glaubst du noch an das staatliche Pensionssystem?", scherzt er. Mila ist ihr Kakao wichtiger.

Julian und Michaela hingegen legen gezielt etwas zur Seite. Michaela etwa hat sich einen Indexfonds zugelegt. "Damit wird zumindest die Inflation ausgeglichen. Wichtig war mir aber schon, dass da nachhaltige Unternehmen drinnen sind."

Bei der Veranlagung in Aktien, da sind sich alle einig, sollte man sich ausreichend mit dem Thema beschäftigen. "Eine gute Portion Skepsis hat bei der Finanzkrise auch gutgetan", sagt Dominik, "meine Eltern haben da einiges Geld verloren." Sebastian kann sich an diese Zeit auch erinnern. "Wer hätte da gedacht, dass wir uns einmal mit der Abgeltung der Inflation zufriedengeben."

Zwei Jahre nach Ausbruch der Krise hat er seinen letzten Bausparvertrag besiegelt. "3,3 Prozent Verzinsung gab es damals, die Bankberaterin hat sich fast entschuldigt, dass das so wenig ist." Plus 50 Euro Prämie, ergänzt Milena fröhlich: "Wie das Weihnachtsgeld von der Oma." (Regina Bruckner, Portfolio, 2017)