Ponzano/Treviso – Er warb für die italienische Modekette Benetton mit Bildern von Neugeborenen, von einer Nonne, die einen Priester küsst, von kopulierenden Pferden und von Blutlachen, von einem sterbenden Aidskranken, von Menschen in US-Todeszellen und mit Bildern von 56 männlichen und weiblichen Geschlechtsorganen. Nun kehrt Oliviero Toscani (75), Fotograf und Provokateur aus Passion, im Dezember für Benetton zurück.

"Wir werden wieder Spaß haben", verspricht Toscani. Und auch Konzernpatriarch Luciano Benetton (82) postete zu einem Foto mit Toscani: "Es ist Zeit, wieder ein bisschen Spaß zu haben."

Der Spaß war Luciano Benetton, damals noch operativer Chef des Bekleidungsriesen, vor 17 Jahren vergangen. Eine Kampagne mit Porträts von zum Tod verurteilten US-Häftlingen soll Benetton dann doch zu weit gegangen sein.

"Wieder Spaß zusammen"

Kopulierende Pferde: Eine der leichter verdaulichen unter vielen legendären Arbeiten Oliviero Toscanis für Benetton.
Foto: Oliviero Toscani for Benetton

Nach 18 Jahren Toscani, medialer Hyperventilation, Boykottaufrufen von Kunden und Protesten von Bischöfen, Klagen und ebenso Ausstellungen in allerlei Museen und Galerien, war der Trennungsgrund nicht einfach zu glauben. Die Trennung soll an der Heftigkeit der Reaktionen auf die Kampagne in den USA gelegen sein, die Toscani mit "Dem Tod ins Gesicht sehen" betitelte. Der US-Bundesstaat Missouri klagte Benetton, weil Toscani unter falschem Vorwand in den Gefängnissen fotografiert habe.

Mit dem Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen und humanitären Organisationen schaltete Toscani für Benetton 1999 eine Blutlache auf weißem Grund – sein Statement zum Kosovo-Krieg. "Mit diesem Statement bin ich in der Werbung ziemlich allein", sagte Toscani damals im Interview mit dem STANDARD: "Schlagen Sie die Zeitungen auf: Links die Berichte über Flüchtlinge, Krieg, Todeskampf, rechts daneben ein perfektes Bild von Claudia Schiffer in Chanel. Da herrscht Krieg, und die Werbung nimmt einfach keine Notiz davon. Wenn sich in 50 Jahren jemand die Zeitungen von heute ansieht, wird er die Welt nicht verstehen."

Blutgetränkte Soldatenkleidung, Priester küssende Nonne, zum Tod verurteilte, sterbende Aidskranke... eine Auswahl der bisherigen Arbeiten Toscanis für Benetton.
Foto: Oliviero Toscani for Benetton

Nach Benetton provozierte Toscani unverdrossen weiter, mit homoerotischen Sujets für eine Männermodemarke und mit einem Nacktbild eines magersüchtigen Models, einem Werbekalender mit Penisfotos für eine italienische Lederwarenmarke.

Benetton probierte es 2011 ohne seinen bewährten Provokateur mit der "Unhate"-Kampagne – Kuss-Fotomontagen vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama und seinem chinesischen Kollegen Hu Jintao und mit Venezuelas Staatschef Hugo Chávez, von Papst Benedikt XVI. und einem Imam. "Ordinär und pathetisch" fand Toscani die Kampagne. (Harald Fidler, 26.11.2017)