Im ÖSV liegt einiges im Argen.

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"Wir sitzen doch alle im selben Boot." Am Rande der Olympischen Winterspiele 2006 in Turin hat Peter Schröcksnadel das zu, um nicht zu sagen: in einer Runde von Sportjournalisten gesagt. Motto: Wen der Wintergott vereint hat, den soll ein Dopingskandal nicht trennen. Kritische Fragen? Unerwünscht. Man erinnere sich an die legendäre Pressekonferenz mit dem legendären Präsidenten-Sager: "Austria is a too small country to make good doping."

Turin 2006 bewies, dass der Skiverband (ÖSV) wenig bis gar nichts aus Salt Lake City 2002 gelernt hatte. Bereits bei diesen Spielen waren Österreichs Langläufer durch die sogenannte "Blutbeutelaffäre" unter Dopingverdacht geraten. Nach ihrer Abreise wurden in ihrer Unterkunft mehrere Spritzen und Blutbeutel gefunden, allein das reichte, um zwei eher unbedeutende ÖSV-Langläufer nachträglich zu disqualifizieren und Trainer Walter Mayer bis 2010 olympisch zu sperren. Der ÖSV, nur zur Erinnerung, hielt an Mayer fest, und dieser hielt sich trotz seiner Sperre im Turiner ÖSV-Quartier auf.

Das nächste PR-Desaster

Schröcksnadel mag heute darauf verweisen, dass er und Mayer 2012 in Italien von den erhobenen Dopingvorwürfen freigesprochen wurden. So oder so hatte das Image des Skiverbands schwer gelitten. Das hat man im ÖSV entweder nicht mitbekommen oder ignoriert. Anders ist kaum zu erklären, dass der erfolgreichste Sportverband des Landes fünf Jahre nach diesem Urteil und elf Jahre nach der Turiner Dopingrazzia ins nächste PR-Desaster gestolpert ist.

Diesmal geht es um Fälle schweren sexuellen Missbrauchs, die Nicola Werdenigg im Standard öffentlich machte. Die Abfahrts-Olympiavierte von 1976 berichtete auch von einer anderen Rennläuferin, die 2005 belästigt worden sei und dies der Teamführung gemeldet habe. Der ÖSV schrieb Werdenigg einen Brief, forderte sie auf, bis Ende November konkret zu werden, Namen zu nennen. Das kann man Ultimatum nennen, auch wenn Schröcksnadel nun erklärt, man habe "nie mit Klage gedroht". Der Skiverband hat Werdenigg unter Druck gesetzt. Gewollt oder ungewollt – das Signal an mögliche andere Opfer, aus welcher Ära auch immer, ist klar: Wer sich outet, bekommt keine Hilfe, sondern ein zusätzliches Problem.

Alle paar Jahre prallt die kleine Welt des Skisports auf die große. Dann tritt Schröcksnadel an, um denen da draußen das Leben zu erklären, wie er es sonst denen da drinnen erklärt. Doch das funktioniert immer weniger, weil sich die große Welt viel schneller gedreht hat als die kleine. In der PR ist der ÖSV kaum besser aufgestellt als 2006, und auf die Missbrauchsfälle hat er vor allem mit dem Hinweis reagiert, dass seit zwei Jahren eine Frauenbeauftragte, Petra Kronberger, im Amt sei. Diese bekam ÖSV-Vizepräsidentin Roswitha Stadlober zur Seite gestellt, das war's. Kronberger will sich Hilfe von außen holen. Wird Schröcksnadel das zulassen?

"Wir rudern vielleicht über dasselbe Meer, aber wir sitzen nicht im selben Boot." Das hat 2006 in Turin ein Einziger aus der Journalistenrunde geantwortet. Die Wichtigsten waren damals und sind nach wie vor an Bord. Die Sportredaktion des ÖSV-Partners ORF hat sich sehr zurückgehalten. Und die "Kronen Zeitung", ebenfalls mit dem ÖSV im Bunde, hat es geschafft, tagelang keine Zeile über sexuellen Missbrauch im Skisport zu schreiben, sei es auf Geheiß oder in vorauseilendem Gehorsam. Small Country. (Fritz Neumann, 26.11.2017)