Keuchhusten kann mehrere Wochen dauern. Der Husten ist so stark, dass es zu Würgreiz und Erbrechen kommt. Das heißt auch: Überall Kübel aufstellen und oft Bettwäsche wechseln.

Foto: GettyImages

Der Schleim dient ihnen als Transportmittel. In Form kleiner Tröpfchen gibt jeder Mensch ständig Sekrete aus Mund und Nase von sich – zum Nutzen vieler Krankheitskeime. Bordetella pertussis ist einer von ihnen. Der Erreger des einst so gefürchteten Keuchhustens kann in den flüssigen Vehikeln Distanzen bis zu einem Meter ganz locker überwinden. Kein Wunder also, dass für Gesunde in der Nähe eines Infizierten höchste Ansteckungsgefahr herrscht. Vor allem bei Husten- und Niesanfällen breiten sich die Mikroben geradezu wolkenhaft aus.

Für die Medizin ist Bordetella pertussis so etwas wie ein alter Intimfeind. Gegen Keuchhusten, in der Fachsprache auch Pertussis genannt, wird schon seit den 1950er-Jahren intensiv geimpft. Der Erfolg der Massenvakzination lässt allerdings zu wünschen übrig. Gewiss: Der Erreger wurde fast überall auf der Welt stark zurückgedrängt. In den westlichen Ländern glaubt manch einer sogar, er sei de facto besiegt. Ein riskanter Irrtum. "Pertussis ist eine vergessene Krankheit, aber sie ist nicht verschwunden", betont der Immunologe Camille Locht vom Institut Pasteur in Lille.

Kleinkinder gefährdet

Laut einer aktuellen Studie der Weltgesundheitsorganisation erkranken global jedes Jahr wahrscheinlich rund 24 Millionen Kleinkinder an Keuchhusten. Mehr als 160.000 von ihnen überleben die Infektion nicht, zeigt eine Studie im Fachjournal "Lancet Infectious Diseases". Wie so oft ist die Sterblichkeit auf dem afrikanischen Kontinent am höchsten. 58 Prozent der Todesfälle sind dort zu beklagen. Doch auch in Ländern mit bester medizinischer Versorgung endet Pertussis bei Säuglingen manchmal fatal (siehe Interview).

Was Keuchhusten so schwer zu bekämpfen macht, ist sein oft unauffälliges Auftreten. Die Krankheit hat viele Gesichter, erklärt Camille Locht. Die Symptome sind häufig sehr mild, und Infektionen können auch völlig ohne Beschwerden verlaufen. Die Keime siedeln sich in solchen Fällen trotzdem an. "Sie dürften jährlich drei bis sechs Prozent der Bevölkerung befallen", sagt Locht. Bei den Erwachsenen mit chronischem Husten seien bis zu 25 Prozent infiziert. Die Betroffenen ahnen meist nicht, dass sie Träger sind, und stellen vor allem für Babys eine echte Gefahr dar.

Aus biologischer Sicht indes ist Bordetella pertussis ein hochinteressanter Mikroorganismus. Der zu den gramnegativen Bakterien gehörende Erreger hat sich vollkommen auf Homo sapiens spezialisiert und kommt nicht bei anderen Tierarten vor. Sein primärer Lebensraum ist die obere Schicht der Atemwegsschleimhäute. Dort findet die Vermehrung statt.

Die Besiedlung eines menschlichen Wirts erfolgt allerdings nur vorübergehend, wie Camille Locht erläutert. Der Keim bleibe etwa einen Monat und ziehe dann weiter. Grund für dieses nomadenhafte Verhalten ist die nach einigen Wochen einsetzende Immunabwehr. Während ihrer aktiven Phase jedoch produzieren die Bakterien ein ganzes Arsenal an biochemischen Kampfstoffen, mit denen sie ihr Umfeld gefügig machen und die körpereigenen Streitkräfte täuschen. Die befallenen Schleimhäute werden zum Teil zerstört, was die mitunter schweren Symptome mit dem typischen, bellenden Husten auslöst. Manchmal dauert es bis zu sechs Wochen, bevor Besserung eintritt. Wer einmal infiziert war, ist 30 bis 40 Jahre lang immun. Aber nicht unbedingt lebenslänglich.

Bakterieller Giftstoff

Die wohl wichtigste vom Erreger produzierte Substanz ist das sogenannte Pertussis-Toxin, kurz PT. "Es ist einer der komplexesten bakteriellen Giftstoffe, die bisher bekannt sind", meint Camille Locht. Es stört den Metabolismus von Schleimhautzellen, ohne diese zu töten. Welchen genauen Vorteil der PT-Einsatz für Bordetella pertussis erbringt, ist noch ungeklärt. Die Medizin indes hat PT und andere erregertypische Moleküle als Grundlage für die Entwicklung moderner, zellfreier Vakzine genutzt.

Der Clou dahinter: Wenn der Körper dank einer Impfung in der Lage ist, gezielt Antikörper gegen die Bakteriengifte zu entwickeln, werden Letztere wirkungslos. Im Falle einer Infektion bleibt die eigentliche Erkrankung dadurch aus. Dieser Ansatz hat allerdings auch einen erheblichen Nachteil, wie Locht erklärt. "Der Erreger kann weiterzirkulieren." Abgesehen davon klingt diese Form des Impfschutzes relativ schnell ab. Auffrischungen sollten deshalb auch bei Erwachsenen erfolgen. Leider wird das oft vergessen.

Neue, verbesserte Impfstoffe sind dringend erforderlich, meint Locht. Ein vielversprechender Weg ist der Einsatz von genetisch modifizierten, "entgifteten" Pertussis-Erregern, die als Spray in die Nase verabreicht werden. Sie scheinen die Produktion von speziellen Schleimhautantikörpern zu stimulieren.

Die ersten klinischen Tests sind erfolgreich verlaufen. Für den Schutz von Neugeborenen bis zum Alter von sechs Monaten wird zunehmend eine andere Methode praktiziert. Die Kleinen bekommen die Antikörper noch vor der Geburt von ihrer Mutter über die Plazenta zugeführt. Eine Nachimpfung in den letzten Schwangerschaftsmonaten macht es möglich. Erweiterter Nestschutz, sicher und sehr effektiv, betont Locht.