Bild nicht mehr verfügbar.

Lenin-Statue in Tiraspol: In Transnistrien ist die Sowjetnostalgie noch allgegenwärtig.

Foto: Getty Images / BalkansCat

Der Streit um Transnistrien, die überwiegend russlandfreundliche abtrünnige Region ganz im Osten der Republik Moldau, wird auch nach den jüngsten diplomatischen Anstrengungen in Wien weitergehen. Der rechtliche Status des Gebiets bleibt umstritten, eine baldige Klärung ist nicht in Sicht. Umso wichtiger scheint es, dass die Verhandler des sogenannten 5+2-Gipfels am Dienstag zumindest einige konkrete Ergebnisse präsentieren konnten, die Verbesserungen für den Alltag der Menschen vor Ort versprechen – ein Alltag, der seit dem Zerfall der Sowjetunion vor mehr als einem Vierteljahrhundert im Schatten eines eingefrorenen, nie gelösten Konflikts steht. An der österreichischen OSZE-Präsidentschaft, die das Treffen vorbereitet hatte, gab es allerdings auch Kritik.

Neben den beiden Konfliktparteien, also der Republik Moldau und Transnistrien, gehören dem 5+2-Format noch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Russland und die Ukraine sowie die EU und die USA als Beobachter an. Wolf-Dietrich Heim, österreichischer OSZE-Sonderbeauftragter, verwies am Dienstag nach Abschluss der zweitägigen Gespräche in Wien auf einige der jüngsten Verhandlungserfolge, darunter etwa die Anerkennung von Diplomen der Universität Tiraspol, der Hauptstadt Transnistriens. "Dieser Schritt ist von großer Bedeutung für die dortigen Studenten und ihre akademische Mobilität", so Heim.

Neue Telefonverbindungen, neue Brücken

Eine weitere Einigung betrifft die Wiederherstellung unterbrochener Telefonverbindungen zwischen beiden Seiten – für Wolf-Dietrich Heim ein Kapitel, das sowohl für die wirtschaftlichen als auch für die politischen Beziehungen maßgeblich sei: "Es mag sich um ein Detail handeln, aber wir haben hier den richtigen Geist von Reintegration und Kooperation gesehen, der auch auf anderen Gebieten als Vorlage dienen kann." Auch beim Zugang für Bauern zu landwirtschaftlichen Flächen, die durch das Grenzregime blockiert waren, sowie beim Betrieb von transnistrischen Schulen, in denen nicht die kyrillische, sondern die lateinische Schrift unterrichtet wird, habe man in den vergangenen Tagen Lösungen erzielt, so Heim.

Ein besonders symbolträchtiger Erfolg war bereits Anfang November erreicht worden: Die Verhandlungspartner einigten sich auf die Wiedereröffnung der Gura-Bîcului-Bychok-Brücke über den Fluss Dnjestr, der den Großteil der Grenze zwischen der Republik Moldau und Transnistrien bildet. Die Brücke war seit Ausbruch des bewaffneten Konflikts im Jahr 1992 gesperrt. Michael Scanlan, Chef der OSZE-Mission in der moldauischen Hauptstadt Chișinău, hatte bei der Unterzeichnung des Vertrags von einem "historischen Tag" gesprochen. Auch Österreich, das noch bis Jahresende die OSZE-Präsidentschaft innehat, hatte die Wiedereröffnung der Brücke als Erfolg gefeiert.

Kritik an Sebastian Kurz

Aus Russland gab es jedoch auch Vorbehalte gegen den österreichischen Vorsitz unter Außenminister Sebastian Kurz. So hatte Sonderbotschafter Sergej Gubarew noch Anfang November gegenüber der Nachrichtenagentur Interfax beklagt, dass Wien während der ersten zehn Monate des Vorsitzes noch kein 5+2-Treffen organisiert hatte. "Der österreichische OSZE-Sonderbeauftragte geht von der idealistischen Annahme aus, dass jedes Treffen im Format 5+2 zur Unterzeichnung wesentlicher Vereinbarungen zwischen Chișinău und Tiraspol führen muss", kritisierte Gubarew und mahnte damit implizit eine Politik der kleinen Schritte ein.

Heim erklärte am Dienstag nach dem Treffen, der österreichische OSZE-Vorsitz sei in der Transnistrien-Frage "auf Output fokussiert". Auch der transnistrische Vertreter Witali Ignatjew räumte ein: "Am Ende der österreichischen Präsidentschaft sind wir zu konkreten und positiven Ergebnissen gekommen." Weitere offene Probleme würden nun die Anerkennung von transnistrischen Verkehrskennzeichen sowie die Zusammenarbeit der Konfliktparteien bei der Strafverfolgung betreffen, so Ignatjew.

Konflikt reicht bis in die Sowjetzeit

Der Konflikt um Transnistrien hatte sich bereits Ende der 1980er-Jahre abgezeichnet, also vor dem Zerfall der Sowjetunion. In der Moldawischen Sowjetrepublik entstand eine Nationalbewegung, die sich sprachlich und kulturell immer enger an Rumänien anlehnte. In Transnistrien wiederum, wo die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung russischsprachig ist, machte sich eine zunehmende Entfremdung vom westlichen Teil der Republik breit. Vor allem die Auseinandersetzung um Russisch als Amtssprache spielte dabei eine zentrale Rolle. Noch innerhalb der UdSSR erklärte sich Transnistrien zur eigenen Sowjetrepublik – und damit als unabhängig von der Moldawischen.

Als im August 1991 die Republik Moldau wiederum ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion ausrief, erklärte Transnistrien, in dem es eine weitaus stärkere Identifikation mit Moskau gab, seinerseits die Unabhängigkeit von der Republik Moldau. Als Staat wurde Transnistrien jedoch nie anerkannt – auch von Russland nicht.

Mehrmonatiger Krieg

Von März bis Juli 1992 tobte ein Krieg zwischen beiden Seiten, der insgesamt etwa 1.000 Menschenleben forderte. Seither gilt ein Waffenstillstand, der von beiden Seiten weitgehend eingehalten wird. Der – ansonsten naheliegende – Vergleich mit dem immer noch blutigen Konflikt in der Ostukraine hinkt auch an anderer Stelle: Transnistrien und Russland haben keine gemeinsame Grenze, Transnistrien grenzt im Osten an die Ukraine. Auch hat sich der Status quo dort in vielen Köpfen längst verfestigt. Und politisch scheint er durch – offen kaum eingestandene Überlegungen – ebenfalls zementiert: Experten vermuten, dass Russland Transnistrien deshalb nicht anerkennt, weil es dadurch seinen Einfluss auf den Rest der Republik Moldau verringern würde.

Auch in deren Hauptstadt Chișinău sei man mit dem eingefrorenen Konflikt nicht ganz unglücklich: Eine vollständige Reintegration Transnistriens, so die Überlegung, würde viele neue Wähler bringen, die prorussisch orientiert seien und den Westkurs des Landes untergraben könnten. OSZE-Sonderbeauftragter Wolf-Dietrich Heim ist dennoch optimistisch: "Wir haben jetzt eine ganze Generation von Menschen gesehen, die in der Mentalität der Nichtlösungen und des Beibehaltens des Status quo aufgewachsen sind. Aber jetzt sehen wir einen neuen, konstruktiven Geist, und diesen gilt es aufrechtzuerhalten." (Gerald Schubert, 28.11.2017)