Marcel Duchamps "L.H.O.O.Q. rasée" von 1965.

Foto: Association Marcel Duchamp / Bildrecht, Wien, 2017 Foto: © Gisela Erlacher und Julius Hummel

Pollock auf Entschleunigungskur: Für die Arbeit "Number 32" übertrug Klaus Mosettig ein monumentales Drip-Painting von Jackson Pollock in monatelanger Arbeit in eine ebenso monumentale Bleistiftzeichnung.

Foto: Franz Schachinger

Jonathan Monks "A Copy of Deflated Sculpture No. 1" von 2009 spielt mit Jeff Koons Edelstahl-Luftballon-Skulpturen

Foto: Courtesy der Künstler und Casey Kaplan, New York Foto: Adam Reich

Mark Rothko als Ausgangspunkt: Ein Still aus Bertrand Laviers "Four Darks in Red" von 2004.

Foto: Courtesy Galerie Yvon Lambert © Cnap / Bildrecht, Wien, 2017

Krems – Einige Bleistiftstriche und eine Handvoll Buchstaben reichten Marcel Duchamp für den vielleicht berühmtesten Lausbubenstreich der Kunstgeschichte. 1919 zeichnete er keiner Geringeren als Leonardo da Vincis Mona Lisa ein Bärtchen ins Gesicht, unter die so bearbeitete Reproduktion schrieb er L.H.O.O.Q. Buchstabiert man diese Letternreihe auf Französisch, hört man sich selbst sagen "elle a chaud au cul". Das heißt übersetzt "ihr ist heiß am Hintern" und bedeutet so viel wie "sie hat einen ausgeprägten Sexualtrieb".

Erinnert wird man an Duchamps kleine Bearbeitung, die als Anspielung auf da Vincis mutmaßliche Homosexualität eine große Provokation darstellte, nun in der Kunsthalle Krems: L.H.O.O.Q. ist nämlich auch ein Schlüsselwerk der "Kunst über die Kunst". Es ist Vorläufer einer Reihe von Kunstwerken des 20. Jahrhunderts, die andere Kunstwerke thematisieren. Ebensolcher "Appropriation Art" ist die Ausstellung Remastered. Kunst der Aneignung gewidmet.

Pointen und Kurzweile

Im Falle Duchamps geht es dabei gleich noch eine Metaebene höher. Zu sehen ist nämlich nicht die barttragende Mona Lisa von 1919, sondern eine Bearbeitung der Bearbeitung aus dem Jahr 1965, bei der Duchamp wiederum zu da Vincis Original zurückkehrte, allerdings nicht ohne findig dazuzunotieren, dass die Gute nun lediglich rasiert sei.

Pointen dieser Art, bezogen auf Fragen der Originalität und der Autorschaft von Kunstwerken (und Filmen, denen ein eigenes von Naoko Kaltschmidt gestaltetes Kapitel gewidmet ist), sind in der kurzweiligen Schau Remastered zahlreich zu finden. Ganz unterschiedlich sind die Strategien und Intentionen: Bertrand Lavier filmte ein Farbflächengemälde Mark Rothkos ab, um es als fünfminütigen Film zu zeigen – und so bewusst zu machen, dass man auch für die Betrachtung vermeintlich einfacher Bilder Zeit braucht. Zu sehen ist aber auch eine Fotoserie Aneta Grzeszykowskas, die an die Ästhetik von US-Filmen angelehnte Frauenbilder aus Cindy Shermans Serie Film Stills in die Welt des postsozialistischen Warschau überträgt.

Ein Richter als Tischplatte

Nicht alle "Dialoge" sind indes so konstruktiv. Als Spitze gegen Kunstsuperstar Jeff Koons wird es etwa gemeint sein, wenn Jonathan Monk einem glattpolierten Ballontierchen, einem Markenzeichen von Koons, die Luft herausließ, es nun zusammengeknickt und dellenreich in Stahl verewigte: Aus den in der Wiederholung überstrapazierten Konzepten von Koons ist die Luft draußen, so lässt sich Monks Statement lesen. Spielt sich diese Aneignung auf einer symbolischen Ebene ab, so ist eine Arbeit Martin Kippenbergers ungleich zupackender: Auf den ersten Blick ist sein Modell Interconti ein harmloses Wohnzimmertischchen, allein: Als Tischplatte fungiert nichts anderes als ein originales monochromes, graues Gemälde Gerhard Richters.

Neben solchen Arbeiten, die Fragen über Wert und die "Funktionalität" von Kunst aufwerfen, werden schließlich Aneignungen thematisiert, die auf die Zerstörung des Ausgangswerks hinauslaufen. Neben entsprechenden Übermalungen Arnulf Rainers kommt hier eine weitere berühmt gewordene Frechheit der Kunstgeschichte zur Sprache: 1953 erbat Robert Rauschenberg von Willem de Kooning eine Zeichnung, die er sodann fein säuberlich ausradierte und als Erased de Kooning Drawing ausstellte. Auch diese Arbeit kommt im Übrigen in Krems mit Extratwist daher: Zu sehen ist nämlich lediglich eine Kopie der ausradierten Zeichnung in Ölfarben, die wiederum der Künstler Pierre Bismuth von einem chinesischen Kopisten anfertigen ließ.

An diesem Beispiel zeigt sich indessen auch, dass die Metakunst auch für Kuratoren gewisse Vorteile mit sich bringen kann: Rauschenbergs Original, das im San Francisco Museum of Modern Art aufbewahrt wird, als Leihgabe für die Kunsthalle zu bekommen, wäre nämlich, wie Kuratorin Verena Gamper erzählt, schlicht zu teuer gewesen. (Roman Gerold, 29.11.2017)