Wien – Es führt der Weg zur glanzvollen Interpretation oft durch Schluchten der widersprüchlichen Vorsätze. Aus dem sorgfältig Geprobten, dem Detailverliebten sollen die Strukturen (im Konzert) wie aus dem Augenblick heraus geschaffen wirken. Bei aller Emotion und allem Überschwang möge die Musik dabei jedoch auch nichts Rohes und Ungeformtes ausstrahlen.

Der lettische Dirigent Mariss Jansons, mit seinem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks auf Tournee, kennt das. Er ist der besessene Detailarbeiter, der klangsensibel Wege durch jedwedes Werk findet. Mitunter scheint ihn die Last der Sorgfalt allerdings auch zu beschweren. Seine Ideen können dann wie durch Ausgewogenheit gezähmte Beispiele musikarchitektonischer Harmonie wirken. Es mag auch bei Anton Bruckners Achter Symphonie im Wiener Musikverein solche Augenblicke gegeben haben – etwa im Scherzo.

Kultivierter Sound

Hier kam das Monumentale, das Drängende etwas gerundet rüber; die gewissermaßen archaische Wucht der bewegten Formen schien eingefasst in noble Gesten. Jansons entfaltet Unmittelbarkeit eher in poetischen Episoden – in ihnen meidet er nie existenzielle Schmerzbereiche.

Auf Basis großer Linientransparenz wird von ihm Dynamik zurückgenommen, bis eine fiebrige Intimität entsteht, die das virtuose Orchester diszipliniert und doch ausdrucksstark umsetzt. Linien nahe an die Stille zu führen, ihnen dabei aber dennoch Präsenz zu verleihen, es ist große Kunst. Sie entfaltet sich allerdings auch in sich selbst emphatisch übersingenden Phrasen des ersten Satzes: Hier agiert ein Kollektiv außerhalb der Komfortzone und auf Basis eines magischen Klangs.

In Summe eine Demonstration von Könnerschaft, Kultiviertheit und Intensität. Wobei: Im Finale wirkte alles auch noch gänzlich befreit. Die finalen Minuten dieser Achten (zweite Fassung) berückten durch kontrastreiches Leben. Ausgewogenheit wurde mit Impulsivität versöhnt. (Ljubisa Tosic, 28.11.2017)