London/Wien – Man mag vom berühmtesten Bergsteiger der Welt halten, was man will. In Sachen Yeti wusste Reinhold Messner freilich bereits vor vielen Experten und ohne aufwendige Spezialuntersuchungen, was sich hinter dem mysteriösen "Schneemenschen" vom Himalaya verbarg: nämlich mehr oder weniger gewöhnliche Braunbären.

Messner schrieb zur Absicherung seiner These ein ganzes Buch, das 1998 unter dem Titel "Yeti – Legende und Wirklichkeit" erschien. Der meinungsstarke Südtiroler erwähnte darin en passant, dass vermutlich bereits der NS-Zoologe Ernst Schäfer bei seiner berühmt-berüchtigten Tibet-Expedition 1938/39 zu einem ähnlichen Schluss gekommen war, was aber den SS-Ahnenerbe-Ideologen nicht in ihren Herrenrassenwahn gepasst haben dürfte.

Ernüchternde DNA-Analysen

Seit Messners Buch sind einige zoologische Studien über den "Schneemenschen" erschienen. Zum Teil wurden dafür Fotografien ausgewertet, zum Teil wurden vermeintliche Yeti-Überreste (wie Haare oder Knochen) mittels DNA-Analysen untersucht. So etwa nahmen Forscher 2014 die DNA von 37 angeblich auf Yetis zurückgehende Proben unter die Lupe.

Auch dieser berühmte Yeti-Skalp, der im Kloster von Khumjung (Nepal) aufbewahrt wird, sieht recht verdächtig nach Braunbär aus – wenn auch mit Mittelscheitel.
Foto: Nmnogueira, CC BY-SA 2.5

Dabei wurden immerhin Hinweise auf eine möglicherweise noch lebende unbekannte Großbärenart im Himalaya gefunden. Doch die eigentliche Hoffnung der Kryptozoologen – nämlich Spuren einer unbekannten Primaten- oder gar Menschenaffenart zu finden – blieb in dieser 2014 im Fachjournal "Proceedings B" der Royal Society publizierten Studie unerfüllt.

Weitere angebliche Yeti-Überreste

Doch es gab noch weitere bislang unerforschte Yeti-Relikte. Die britische Filmproduktionsfirma Icon Films, die in ihrer 2016 veröffentlichten Dokumentation "Yeti or not" ebenfalls die Herkunft der vermeintlichen Schneemenschen klären wollte, gelangte an noch nicht untersuchte Überbleibsel, die teils aus Museen (auch jenen Reinhold Messners), teils aus Privatbesitz stammten. Und die Filmleute gaben diese Devotionalien an Charlotte Lindqvist (Uni Buffalo) weiter, die eine der weltweit führenden Expertinnen in Sachen Bären-Evolution ist.

Lindqvists neue DNA-Untersuchungen ergaben, dass acht der neun untersuchten Proben – etwa ein Stück behaarte Haut von einer Hand oder Pranke, die in einem Kloster in Tibet aufbewahrt wurde, oder ein Stück Oberschenkelknochen – durchwegs von Asiatischen Schwarzbären, Himalaya-Braunbären oder Tibetischen Braunbären stammten. Nur eine einzige Probe wich davon ab: Sie ging auf einen Hund zurück, berichten Lindqvist und ihre Kollegen in den "Proceedings B".

Der Oberschenkelknochen eines angeblichen Yeti, dessen Überreste in einer Höhle in Tibet gefunden wurden. Der Knochen konnte mittels DNA-Analyse einem Tibetischen Braunbären zugeordnet werden.
Foto: Icon Films Ltd.

Neue Aufschlüsse über Braunbärenarten

Die Bären-Experten begnügten sich bei ihren Analysen aber nicht mit der Yeti-Entzauberung, sondern wollten auch noch die Hypothese der womöglich unbekannten Bärenart im Himalaya überprüfen. Dafür sequenzierten sie die mitochondriale DNA (mtDNA) von 23 asiatischen Bären vor allem aus der Himalaya-Region und verglichen sie mit derjenigen von Bären aus anderen Teilen der Welt.

Ein wuscheliger Himalaya-Braunbär aus dem Deosai-Nationalpark in Pakistan.
Foto: Abdullah Khan, Snow Leopard Foundation

Dabei wurde tatsächlich ein überraschender genetischer Unterschied zwischen dem Tibetischen Braunbären und dem Himalaya-Braunbären offenkundig. Während Ersterer mit Braunbären in Nordamerika und Europa relativ eng verwandt ist, gingen Himalaya-Braunbären bereits seit 650.000 Jahren eigene Wege – vermutlich aufgrund einer langen geografischen Isolation.

Eine Himalaya-Braunbärenfamilie, die in Nordpakistan in eine Kamerafalle tappte.
Foto: Norwegian University of Life Sciences and Snow Leopard Foundation

Zwar hat Lindqvist mit ihrer Studie die kryptozoologischen Hoffnungen auf eine neue Primatenart wohl endgültig zerstört. Die neuen genetischen Aufschlüsse könnten aber immerhin den nicht ganz so kryptischen Himalaya-Braunbären zugutekommen, die vom Aussterben bedroht sind. (Klaus Taschwer, 29.11.2017)