Lieber nicht nur "wahrscheinlich" wieder "Person of the Year" wie 2016: Donald Trump.

Foto: APA/AFP/TIME Inc./NADAV KANDER

Wenigstens einmal im Jahr gelingt es Time noch, an verflossene Größe anzuknüpfen. Kürt das Magazin die Person des Jahres, ist ihm ein weltweites Echo gewiss. Wird am 6. Dezember 2017 der Kopf des Jahres aufs Titelblatt gehoben, geschieht das allerdings im Zeichen heftiger Verunsicherung.

Time Incorporated, das New Yorker Medienhaus, das neben seinem publizistischen Flaggschiff Titel wie Fortune, People und Sports Illustrated druckt, ist an einen Verlag im Präriestaat Iowa verkauft worden, dessen Spezialität Lifestylemagazine sind. Bei der Meredith Corporation erscheinen Zeitschriften wie Better Homes and Gardens, Family Circle und Family Fun. Mit einem Nachrichtenmagazin wie Time hat man dort keine Erfahrung.

Der Time-Verlag steckt in Schwierigkeiten, weil die Anzeigenerlöse stetig sinken, die Leser ins Internet abwandern und man das digitale Zeitalter zunächst verpasst hat. Im ersten Quartal 2017 gingen die Einnahmen gegenüber dem Vorjahr um neun Prozent zurück, die Erlöse für Printwerbung um fast ein Fünftel. Doch als sich die Belegschaft versammelte, nachdem der Meredith-Deal perfekt war, soll die Stimmung an ein Begräbnis erinnert haben.

Libertäre Partei

Das liegt an einem Investorenpaar, das die Übernahme mitfinanzierte. Die Brüder Charles und David Koch, Besitzer eines der größten Firmenkonglomerate der Welt von Papier über Pipelines, Raffinerien und Chemiebetriebe bis hin zur Rinderzucht, stiegen mit 650 Millionen Dollar ein, einem Drittel der Kaufsumme.

Meredith-Boss Steve Lacy beteuerte, die Koch-Brüder seien nur "passive" Investoren und würden operativ nicht aktiv. Doch es gibt nur wenige Industrielle, die sich derart aktiv in die Politik (und ihre Finanzierung) einmischen wie die Koch-Brüder mit ihrer Agenda des schlanken Staats, niedriger Steuern und möglichst laxer Umweltauflagen. 1980 war David, der Jüngere, der Kandidat der Libertären Partei fürs Weiße Haus. So kläglich der Versuch scheiterte – er bekam nur ein Prozent der Stimmen –, so vehement legten sich die Kochs fortan ins Zeug, um für ihre Ziele zu trommeln. Als Barack Obama seine erste Präsidentenwahl gewann, schrieb Charles seinen 70.000 Beschäftigten, Amerika drohe mit dieser Wahl der größte Verlust von Freiheit und Wohlstand seit den 1930er-Jahren.

2013 zeigten die Koch-Brüder Interesse an der Tribune Company mit renommierten Zeitungen wie Los Angeles Times, Chicago Tribune und Baltimore Sun. Die TV-Sender der Tribune Company gehen nun – wie Rupert Murdochs Fox News – an die Trump-freundliche Mediengruppe Sinclair.

"Kein Funke Wahrheit"

"Ist es möglich, dass die Koch-Brüder aus dem Blatt ein Fox-Magazin machen?", fragt Marvin Kalb, einst einer der renommiertesten TV-Journalisten der USA, heute Medienexperte der Brookings Institution. "Die Antwort ist ein Ja, und diese Aussicht ist zweifellos eine verstörende." Richard Stengel, Ex-Chef von Time, sagte Politico: "Es wäre naiv zu glauben, die Koch-Brüder hätten keinen redaktionellen Einfluss."

Die Financial Times berichtete von Plänen, den Time-Verlag zu zerlegen. Als Interessent für Time wird Trump-Vertrauter David Pecker genannt, er gibt das Trashmagazin National Enquirer heraus.

Donald Trump scheint der Time-Titel wichtig – er twitterte gerade, die Redaktion habe ihm mitgeteilt, er werde "WAHRSCHEINLICH" wieder Persönlichkeit des Jahres wie 2016, wenn er ein Interview und ein Fotoshooting zusagt. Wahrscheinlich sei ihm nicht gut genug, er habe abgesagt.

Alan Murray, derzeit Manager für Inhalte bei Time Inc., antwortete dem Präsidenten noch recht direkt: Daran sei "kein Funke Wahrheit". Und: "Totaler Bullshit." (Frank Herrmann aus Washington, 30.11.2017)