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Pierre Moscovici schreckt sich nicht mehr vor schwarz-blauen Kurven: "Ich war ein starker Befürworter der Sanktionen, aber ich habe meine Meinung geändert."

Foto: reuters

Brüssel – Es ist ein elendslanger grauer Gang bis zum Büro des Kommissars. Wären da nicht die vielen bunten Plakate über Kinofilme, die alle irgendetwas mit Geld zu tun haben, der Besucher im zehnten Stockwerk des Berlaymont-Hochhauses müsste in der Sekunde in jene trübsinnige Nebelstimmung verfallen, die sich in diesen Tagen in Brüssel auf einen längeren Verbleib eingerichtet hat.

Pierre Moscovici ist trotzdem guter Dinge. Er ist in der EU-Kommission für Wirtschaft, Finanzen, Steuern und den Zoll zuständig. Demnächst wird der Franzose einen sozialistischen Parteifreund als neuen Eurogruppen-Chef bekommen und eine schwarze Liste von Steuerparadiesen vorlegen. Darüber kann er mit Verve erzählen. Genauso wie über die Krise der europäischen Sozialdemokratien und die Bücher des "paranoiden" ehemaligen griechischen Finanzministers Yannis Varoufakis.

Meinung über Sanktionen geändert

In seinem früheren Leben war Moscovici französischer Europaminister – und jener Politiker, der die Sanktionen der EU im Jahr 2000 gegen die erste schwarz-blaue Bundesregierung unter Wolfgang Schüssel koordinierte. Waren diese ein Fehler? Auch auf diese Frage des STANDARD findet der Sozialdemokrat rückblickend eine klare Antwort: "Ich war ein starker Befürworter, aber meine Meinung hat sich geändert. Die Sanktionen waren nicht nur wenig effizient, sie waren kontraproduktiv."

Er wolle die Entscheidung nicht explizit bereuen, aber sie sei damals aus einem Schock heraus gefallen, unter dem insbesondere sein damaliger Präsident Jacques Chirac gestanden sei. Auf dieser Basis hätten die Staats- und Regierungschefs den Sanktionenbeschluss gefasst. Moscovici: "Und ich habe dann dafür die Verantwortung übernehmen müssen." Die Zeiten hätten sich inzwischen geändert, heutzutage sei der Schock über eine Regierungsbeteiligung der FPÖ geringer.

"FPÖ hat sich hoffentlich gewandelt"

Moscovici: "Die FPÖ hat sich hoffentlich gewandelt. Alle werden jedenfalls genau beobachten, ob Sebastian Kurz tatsächlich der starke Befürworter Europas ist, als der er sich selbst bezeichnet hat. Das bedeutet auch, dass er gegen Antisemitismus, Rassismus und Xenophobie auftreten muss. Wir werden auch beobachten, wie sich die anderen Minister der neuen österreichischen Regierung verhalten werden."

Darüber, so der EU-Kommissar, sei sich Kurz durchaus im Klaren. Deshalb gehe er davon aus, dass man in Europa gut und vertrauensvoll mit der nächsten österreichischen Bundesregierung zusammenarbeiten werde.

Auch Moscovicis Kollege Johannes Hahn (ÖVP) sieht keine neue Sanktionengefahr in Brüssel heraufdräuen. Darüber, so der Erweiterungskommissar, sei die Zeit schon lange hinweggegangen. (Christoph Prantner, 30.11.2017)