Berlin – "Depressionen bei Diabetes-Patienten stellen ein massives und bislang unterschätztes Problem dar", warnt die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG). Nicht zuletzt deshalb, weil es sich um eine sehr komplexe Erkrankung handelt: "Diabetiker müssen jeden Tag Verantwortung für ihre Therapie übernehmen, ihre Blutzuckerwerte genau im Blick haben, Medikamente dosieren und einnehmen, Rückschläge verarbeiten", erläutert Psychologe Bernd Kulzer von der DDG.

"Besonders depressionsfördernd kann es sein, wenn neben Diabetes noch andere Belastungen im Leben dazukommen, negative Erlebnisse wie Unterzuckerungen oder Folgeerkrankungen auftreten oder Menschen wenig Unterstützung im Umgang mit ihrer Stoffwechselerkrankung erfahren", ergänzt der Experte. Laut Berechnungen der DDG sind Diabetiker demnach doppelt so häufig von Depressionen betroffen wie die Allgemeinbevölkerung.

Die Auswirkungen einer klinischen Depression auf den Gesundheitszustand der Diabetespatienten kann gravierend sein, da "depressive Stimmungseinbrüche eine Behandlung der Stoffwechselerkrankung erheblich gefährden können", sagt die Berliner Psychotherapeutin Andrea Benecke. "Die Patienten sind nicht mehr ausreichend in der Lage, die notwendigen Blutzuckermessungen durchzuführen und sich Insulin zu spritzen. Sie versinken in negativen Gedanken, wie: 'Ich kann den Diabetes nicht mehr ertragen' oder 'Ich tue mein Bestes, aber es reicht nicht'." Eine mögliche Folge: Der Langzeitblutzuckerwert HbA1c verschlechtert sich. "Ohne eine psychotherapeutische Behandlung ist dann eine erfolgreiche Diabetestherapie kaum mehr möglich", wie Benecke betont.

Behandlungskosten steigen um bis zu 90 Prozent

Laut den Experten führen Depressionen über eine Aktivierung der Hypophysen-Nebennieren-Achse auch zu einer Erhöhung entzündlicher Prozesse an den großen und kleinen Blutgefäßen. "Das wiederum fördert die Entstehung weiterer Folgeerkrankungen etwa an Nerven, Augen, Füßen oder Nieren", so Kulzer.

Laut einer Studie steigen die Behandlungskosten durch die Mehrfach-Therapie von Diabetes, Depression und Folgeerkrankungen um 50 bis 90 Prozent. Zudem tragen Folgeerkrankungen wie Schlaganfall und Herzinfarkt maßgeblich dazu bei, dass sich das Sterberisiko um etwa das Doppelte erhöht. "Auch deshalb, weil das Suizidrisiko höher liegt als bei depressiven Menschen ohne Diabetes", so Kulzer.

Wie eine aktuelle Studie zeigte, steigt die Suizidgefahr bei Diabetes um 50 Prozent im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung, besonders bei jüngeren Männern mit Typ-1-Diabetes. Was die Experten noch betonen: Etwa die Hälfte aller Depressionen von Diabetes-Patienen werden nicht erkannt. "Die Diagnose wird viel zu selten gestellt", so Kulzer. Patienten sollten daher auf entsprechende Warnzeichen achten. "Wenn die Therapie zur Last wird und mehr Energie als bisher kostet, ist das ein Alarmsignal", erklärt der Psychologe. Spätestens dann sollten Betroffene klären, ob sie psychologische Hilfe brauchen, rät die DDG. (red, 30.11.2017)