Die Zeit ist reif, uns von lieben alten Überzeugungen zu trennen. Jahrhundertelang haben wir geglaubt, unsere Erde sei eine – oben und unten angedepschte – Kugel, die sich wie eine Art kosmischer Germknödel um ihre eigene Achse rotierend durch die Weiten des Alls bewegt. Nun mehren sich die Anzeichen, dass dieses Weltbild nicht der Wirklichkeit entspricht. Vielmehr scheinen wir es mit Fake-News zu tun zu haben, die von Sonderlingen wie Galilei, Kopernikus und Konsorten fahrlässig in Umlauf (!) gebracht wurden.

Ehe die szientistischen Schlaumeier unter meinen Lesern Protestschreie ausstoßen: Schon einmal selber da oben gewesen? Den angeblichen "Erdball" mit eigenen Augen gesehen? Na eben. Dann sind Ihnen gewiss auch die sensationellen Forschungen des Amerikaners Mike Hughes unbekannt, der sich dieser Tage mit einer selbstkonstruierten Rakete in der kalifornischen Wüste in die Luft schießen wird, um den Beweis zu erbringen, dass die Erde doch eine Scheibe ist. Wie Hughes dies genau bewerkstelligen will, hat er nicht verraten. Vermutlich hofft er darauf, bei seinem Flug aus dem Orbit dicke Schichten von Scheibenkleister am Horizont zu entdecken.

Jedes bahnbrechende Forschungsprojekt beginnt mit einer Frage, die einem Pionier keine Ruhe mehr lässt. Im Fall von Hughes lautete diese Frage: Wie kann es möglich sein, dass ein kugelförmiger Planet einen Flachkopf wie mich hervorbringt? Auch ein misslungener erster Flugversuch samt Absturz, nach dem sich Hughes länger mit Dingen wie Liegegipsen und Krückengehen beschäftigen musste, konnte ihn nicht von seinem Forscherdrang abbringen. Natürlich schlug ihm auch die Häme der Skeptiker entgegen: "Was ist der Unterschied zwischen einem Auto und Mike Hughes? Das Auto hat einen Scheibenwischer, Mike Hughes hat einen Scheibenhuscher."

Leider sind inzwischen hässliche Gerüchte aufgekommen, Hughes ginge es gar nicht um einen Scheibenbeweis, sondern darum, im Internet mit einer Pay-per-View-Site seiner Experimente ein paar Dollars zu machen. Wie auch immer: Wenn Hughes mit seinen Raketenflugplänen scheitert, kann er sich ja immer noch um den Posten des Wissenschaftsministers in unserer neuen Regierung bemühen. Dort hat man für alle Retroideen großes Verständnis. (Christoph Winder, Album, 2.12.2017)