SPD, Grüne und Linke wollen Paragraf 219a streichen, der "Werbung" für Abtreibung untersagt. Demonstrantinnen und Demonstranten im September in Berlin forderten bereits mehr: Die Abschaffung von Paragraf 218, der bei einem Schwangerschaftsabbruch bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe bzw. eine Geldstrafe vorsieht.

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Die Ärztin Kristina Hänel vergangene Woche auf der Anklagebank im Amtsgericht Gießen (Hessen). Die Medizinerin wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie auf ihrer Website Abtreibung als Leistung angeführt hatte.

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Berlin/Wien – In Deutschland kommt nach der Verurteilung einer Ärztin wegen Werbung für Schwangerschaftsabbrüche Bewegung in die Debatte über eine Änderung des Abtreibungsrechts. Die SPD-Bundestagsfraktion habe einen Gesetzentwurf formuliert, in dem die ersatzlose Streichung des umstrittenen Paragrafen 219a aus dem Strafgesetzbuch gefordert werde, sagte die SPD-Politikerin Eva Högl dem Redaktionsnetzwerk Deutschland vom Freitag.

Der Entwurf soll Högl zufolge noch vor der Weihnachtspause in der Fraktion beschlossen werden. "Gleichzeitig reden wir natürlich auch mit den anderen Fraktionen, um die Möglichkeiten eines interfraktionellen Vorgehens auszuloten", so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende.

Der Paragraf 219a wird dafür kritisiert, den Zugang zu Informationen über das ärztliche Leistungsangebot zu Abtreibungen zu unterbinden. Strafbar macht sich demnach, wer Schwangerschaftsabbrüche in "grob anstößiger Weise" oder "seines Vermögensvorteils wegen" öffentlich "anbietet", "ankündigt" oder "anpreist". Immer wieder werden deshalb Gynäkologinnen und Gynäkologen in Deutschland angezeigt, wenn sie Abtreibungen unter ihren Leistungen anführen.

FDP für Mehrheit notwendig

Eine Mehrheit für den SPD-Gesetzesentwurf ist allerdings ungewiss. Grüne und Linke forderten ebenfalls bereits die Abschaffung von Paragraf 219a – die Linksfraktion hatte sogar zuvor schon einen eigenen Gesetzesentwurf vorgelegt, wäre aber für einen interfraktionellen Antrag bereit, ihn zurückzuziehen. Für eine Mehrheit im Bundestag bräuchte es aber noch die liberale FDP, gemeinsam verfügen die vier Fraktionen über 369 von 709 Stimmen.

Die FDP sieht den Paragrafen zwar ebenfalls kritisch, befürwortet aber lediglich eine "moderate Änderung". Sachliche Information solle möglich sein, nicht aber "reißerische Werbung", sagte der FDP-Abgeordnete Hermann Otto Solms. Genau das befürchtet die Union bei einer Streichung des Paragrafen 219a: "Es darf kein Geschäftsmodell gefördert werden, das auf der Tötung ungeborenen Lebens beruht", erklärt Elisabeth Winckelmeier-Becker, rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion. "Wer den Paragrafen 219a StGB ersatzlos aufheben möchte, muss in Zukunft mit offener Werbung im Internet und Fernsehen, in Zeitschriften et cetera für Abtreibungen rechnen."

Die Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Deutschland regelt allerdings ohnehin die "Vermeidung einer dem Selbstverständnis der Ärztin oder des Arztes zuwiderlaufende Kommerzialisierung des Arztberufs". Die rechtspopulistische AfD, die über 92 Sitze im Bundestag verfügt, ist ebenfalls gegen eine Streichung von Paragraf 219a.

Ärztin zu Geldstrafe verurteilt

Ausgelöst hat die SPD-Initiative die jüngste Kontroverse um die Ärztin Kristina Hänel. Sie wurde vergangene Woche zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt, weil sie auf ihrer Website Schwangerschaftsabbruch als Leistung angeführt hatte. Hänel kündigte an, in Berufung zu gehen. Vertreter von SPD, FDP, Grünen und Linken hatten das Urteil kritisiert, deutschlandweit kam es zu Solidaritätsbekundungen und Protesten gegen Paragraf 219a. Das Urteil sei "eine sehr harte Entscheidung" gewesen, sagte Högl der "Taz". "Vor allem aber zeigt es: Es gibt gesetzgeberischen Handlungsbedarf beim Paragrafen 219a."

An den strafrechtlichen Regelungen zur Abtreibung wurde in Deutschland seit 1995 nichts geändert. Damals wurde der Schwangerschaftsabbruch zwar verboten, aber, ähnlich wie in Österreich, unter bestimmten Bedingungen straffrei gestellt.

Kein Werbeverbot in Österreich

In Österreich gibt es kein Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche. Auch die in Deutschland verpflichtende dreitägige Bedenkfrist zwischen Beratungstermin und Abtreibung gilt in Österreich nicht – die Fristenregelung sieht lediglich eine dem Schwangerschaftsabbruch "vorhergehende ärztliche Beratung" vor. (maa, 1.12.2017)