Bild nicht mehr verfügbar.

Der türkisch-iranische Goldhändler Zarrab (Mitte) erklärt vor Gericht sein kompliziertes System, mit dem er jahrelang Sanktionen der USA gegen den Iran unterlief. Richter Richard Berman hört zu.

Foto: Elizabeth Williams via AP

Ankara / New York – Dementis und Vorhaltungen kommen im Rhythmus von Minuten. Die Banken und der Parteisprecher melden sich ein ums andere Mal zu Wort. Der Sprecher und Vizepremier der Regierung erinnert an die Gottesmutter der Christen: Maria habe auch viel Verleumdung erfahren müssen, erklärt Bekir Bozdag. Und der Staatspräsident stellt wieder einmal fest: "Es gibt eine Verschwörung gegen die Türkei."

Nach vier Prozesstagen vor einem Gericht in Manhattan ist die politische Führung in der Türkei alarmiert. Der lange mit der Regierung verbundene, glamourös lebende Geschäftsmann Reza Zarrab hat im Verfahren um den Bruch von US-Sanktionen gegen den Iran nicht nur drei große türkische Banken belastet – die staatliche Halk Bank, Ziraat Bank und Vakif Bank – sowie mehrere ehemalige Minister des heutigen Staatspräsidenten Tayyip Erdoğan. Zarrab nannte am Donnerstag im Zeugenstand kurz auch Erdoğan selbst. Der damalige Regierungschef habe 2012 die Verschiebung von Vermögen über die türkischen Banken in den Iran gebilligt und in Auftrag gegeben.

Weitverzweigtes System

Zarrab berief sich dabei auf eine Versicherung, die der damalige Wirtschaftsminister Zafer Çaglayan ihm gegenüber gegeben habe. Çaglayan, der laut Zarrab mit 50 Prozent an dem Milliardengeschäft mit dem Iran beteiligt sein wollte, soll mehr als 50 Millionen Euro an Schmiergeldern erhalten haben. Auch dem damaligen Chef der Halk Bank, Süleyman Aslan, habe er einen Anteil zahlen müssen, gab Zarrab an. Nicht aber dessen Stellvertreter Mehmet Hakan Atilla. Der sitzt nun als Einziger auf der Anklagebank in New York. Zarrab wiederum kooperiert mit der US-Justiz und hat sich in allen Punkten schuldig bekannt.

Fahnder des US-Finanzministeriums hatten jahrelang die Geldströme zwischen der Türkei und dem Iran verfolgt und Zarrabs Rolle untersucht. Als Zarrab im Frühjahr 2016 mit seiner Familie das Disneyland in Florida besuchen wollte, schlugen sie zu. Seither rekonstruieren Finanzexperten das weitverzweigte Geschäftssystem des 34-Jährigen.

2012 hatten die USA ihre Sanktionen gegen den Iran wegen des Atomprogramms verschärft und das Land faktisch vom internationalen Finanzsystem ausgeschlossen. Damit sollte vor allem verhindert werden, dass Teheran sein Öl und Gas auf dem Weltmarkt verkaufen konnte. Zarrab half aus, nutzte US-Dollar und amerikanische Banken, auch unter Angabe falsch deklarierter angeblicher Geschäfte zum Kauf von Nahrung und Medizin für den Iran. Damit machten sich er und die türkischen Banken strafbar. Doch auch Ex-Wirtschaftsminister Çaglayan ist bereits in den USA angeklagt.

Wertvoller Zeuge

Naheliegend ist, dass Zarrab das Abkommen mit der Staatsanwaltschaft treffen konnte, weil er zusicherte, auch die türkische Führung und Erdoğan selbst mit dem Iran-Geschäft zu belasten. Das macht Zarrab für die US-Justiz wertvoll. Erdoğan hatte sich – der Gefahr offenbar bewusst – mehrfach bei US-Präsident Donald Trump und dessen Vorgänger Barack Obama für Zarrabs Freilassung eingesetzt. Nun sind neue Spannungen mit den USA absehbar. Die Istanbuler Staatsanwaltschaft erließ am Freitag einen Haftbefehl gegen einen ehemaligen führenden CIA-Mitarbeiter. Graham Fuller hatte sich kritisch über Erdoğan geäußert. Fuller hält sich nicht in der Türkei auf. Die türkische Justiz nahm bereits zwei Mitarbeiter von US-Konsulaten in Untersuchungshaft, was zum Stopp der Visavergabe an US-Reisende in der Türkei geführt hat.

Erdoğans Regierungschef Binali Yildirim bezeichnete Zarrabs Aussagen am Freitag als "Fehler"; er hoffe, dass Zarrab sie widerrufe, sagte Yildirim bei einer öffentlichen Veranstaltung in Istanbul. (Markus Bernath, 1.12.2017)