Gianni Infantino hatte schon angenehmere Arbeitstage. Die einstige Chef-Losfee des europäischen Fußballverbands durfte bei der Fußball-WM-Auslosung am Freitag keine Kugerln ziehen, sein Posten als Präsident des Weltverbands Fifa zwang ihn zuvor zu einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem russischen Organisationskomitee-Chef Witali Mutko. Dieser zieht derzeit unangenehme Fragen an. Das offengelegte staatliche Dopingsystem fiel in seine Zeit als Sportminister. Auch der russische WM-Kader 2014 scheint darin auf, also musste das Duo Stellung beziehen.

Es war eine Offenbarung. Da saßen Infantino und Mutko nebeneinander und warfen den Journalisten Aussagen aus einer Parallelwelt zu. "Die Fifa beteiligt sich nicht an Spekulationen", war noch Infantinos größtes Zugeständnis an die Realität. Der Fifa-Präsident lavierte zwischen Diplomat und Blender, Mutko packte zum Schrecken seines Schweizer Kompagnons die verbale Kettensäge aus. "Es hat nie und wird niemals ein staatlich gelenktes Dopingsystem in Russland geben." Die Fakten behaupten anderes. So what? Es ist ja 2017.

Die Fifa-Patentlösung für alle Dopingprobleme heißt seit jeher: Scheuklappen. Das war unter Sepp Blatter so, das hat sich unter Infantino nicht geändert. Hier und da ein Lippenbekenntnis, man werde Sünder bestrafen. Zyniker mögen sagen: Hätte das russische Team derart professionell gedopt, es wäre bei den letzten Großereignissen nicht fern jeder Hoffnung untergegangen. Letztmalig überstand Russland bei der EM 2008 eine Gruppenphase. Abseits des Fußballs zieht dieses Argument nicht, Russland räumte bei Olympia 2014 ab. Die Olympier waren am Beginn der Enthüllungen träge, straften aber doch: Medaillen wurden aberkannt, Olympiasieger lebenslang gesperrt, Russland von den Paralympics 2016 ausgeschlossen. Am Dienstag entscheidet das Internationale Olympische Komitee (IOC) über Russlands Teilnahme an den Winterspielen 2018.

Blick zurück zum Fußball: Vorwürfe hin oder her, die Fifa lächelt und nickt noch immer, die WM wird "die beste aller Zeiten" (Infantino), Russland wird seine Elf anfeuern, Präsident Wladimir Putin sein Fest genießen, Oligarchen werden mit Bauaufträgen Geld gemacht haben. Danach die Sintflut. Wie es Russland auch mit der dopinggestützten Medaillenparty von Sotschi versuchte und immer noch versucht. Denn – ein Dopingsystem gab es ja nicht. So gesehen wird die IOC-Entscheidung ein wichtiges Signal sein. (Martin Schauhuber, 1.12.2017)