Gabi Delgado-López und Robert Görl spielten in der Grellen Forelle.

Foto: Christian Fischer

Wien – Wer Anfang der 1980er jung war, ist heute, nun ja, nur noch mitteljung. Da besteht die Gefahr, dass Zusammenkünfte dieser Generation nostalgisch ausfallen, sich in die Erinnerung an die wilden Zeiten die ersten Krankenbefunde und Partezettel mischen. Die Leberwerte? Reden wir lieber nicht davon.

Am Samstag kam es in Wien zu so einer Zusammenkunft. Hundertschaften mitteljunger und tatsächlich junger Menschen standen geduldig in der Schlange vor dem Club Grelle Forelle am Donaukanal, um eine Band zu sehen, die damals ganz vorne war: die Deutsch Amerikanische Freundschaft.

Doch es wurde kein bunter Abend im Lichte der Verklärung. DAF erwiesen sich als zeitlos gut. Intensiv, wild, stark. Das ist keine neue Erkenntnis. DAF zählen neben Kraftwerk und Can zu den wichtigsten deutschen Bands. Mit ihrer knappen Aufstellung – Schlagzeug, Synthesizer und Gesang – schufen sie eine Ästhetik, die noch immer unverschämt modern klingt und Vorlage für viele Bands und Stile wie Electronic Body Music und Techno war.

Befehle in fröhlicher Mission

Mit haarspalterischer Nomenklatur hatte man sich Anfang der 1980er nicht aufgehalten, heute definiert Sänger Gabi Delgado die Band im Lied "Du bist DAF" als Punk und Electro, und man kauft ihm sowieso alles ab. Der DAF-Punk Delgado verfasst seine knappen Texte meist im Imperativ. Seine Befehle befördern jedoch eine fröhliche, lebensbejahende Mission, der Mann ist immerhin Buddhist.

Als die Mauer noch stand, der Krieg kalt und diese Musik atemberaubend neu war, mischten sie in ihre Lieder eine Doppeldeutigkeit, der viele nicht gewachsen waren. Schon das für Punk typische Spiel mit Zeichen – DAF stand einst für Deutsche Arbeitsfront – beförderte eine Konfusion, die von Zeilen wie "… tanz den Mussolini, tanz den Adolf Hitler …" befeuert wurde. Zudem inszenierten sich DAF verschwitzt und lederschwul, was Pädagogen und Berufsversteher den letzten Verständnisrest kostete: Dürfen die das?

DAF haben sieben Alben veröffentlicht, im Herbst erschien "Das ist DAF", die Neuauflage ihrer vier klassischen Alben aus den Jahren 1980 bis 1982. Gerade ist ein ebenso betiteltes Buch im Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf erschienen, zurzeit tourt man.

Nach dem Intro, in dem Delgado verlangte, das Publikum möge doch mindestens die Erde beben lassen, stürzten sich die zwei in das programmatische "Verschwende deine Jugend". Ein ewiges Manifest, das der heute 59-jährige Sänger mit breitem Grinsen darbot. Es folgte "Der Mussolini", das kein Nazilied ist, sondern – ganz schwer zu verstehen! – die Austauschbarkeit von Ideologien behandelt.

Dringlich, fiebernd, predigend

Delgado hatte sich und das Publikum da längst einer ersten Taufe aus der Mineralwasserflasche unterzogen, durchmaß dramatisch die Bühne und brüllte: "Und jetzt nach links! Und jetzt nach rechts!" Im Club ging die Post ab, der später gespielte Song "Alle gegen alle" wurde am Tanzboden höflich vorweggenommen.

Früher kamen die trockenen Rhythmen vom Korg-Synthesizer, heute aus dem Laptop. Diese sind die Vorlage für Robert Görl, der sie vom Schlagzeug aus mit einer Extraportion Dringlichkeit versieht. Er verleiht dem DAF-Sound seine minimalistische Sexiness: knappe Synkopen mit der Sturheit eines Galeerentrommlers – ein Traum, man könnte dem Mann stundenlang zusehen. Dabei begnügten sich DAF live nicht damit, ihre Songs ordentlich nachzustellen, sie erlaubten sich eine gewisse Lässigkeit, ohne deshalb weniger druckvoll zu spielen.

Delgado erfüllte Titel wie "Sex im Wasser" mit Leben, fieberte durch "Sato-Sato", ließ den Osten hochleben und erinnerte an seinen Herzschlag: "Mein Herz macht Bum". Er predigte Sex in der "Sprache der Liebe", und am Ende folgte ein Dreierziegel aus "Der Räuber und der Prinz", "Kebab-Träume" und der frohen Adventbotschaft "Alles ist gut". Wollte man die Deutsch Amerikanische Freundschaft in drei Worten beschreiben, dann mit diesen. (Karl Fluch, 3.12.2017)