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Jair Bolsonaro sagte 2011, er hätte lieber einen toten als einen schwulen Sohn.

Foto: Reuters/Bernassatto

Bei seiner Reise in die USA vor wenigen Wochen wird der ultrakonservative Kongressabgeordnete Jair Bolsonaro als der "brasilianische Donald Trump" vorgestellt. Die Anhänger des für seine homophoben, rassistischen und frauenfeindlichen Ansichten bekannten Ex-Militärs jubeln begeistert. Und auch Bolsonaro fühlt sich geschmeichelt, nennt Trump sein großes Vorbild. Denn genau wie er will der 62-jährige Ex-Fallschirmspringer bei den Wahlen nächsten Oktober nach der Präsidentschaft greifen. Und genau wie Trump ist er Sprachrohr der Enttäuschten, die dem Polit-Establishment einen Denkzettel verpassen wollen. Doch viel mehr Gemeinsamkeiten gibt es nicht.

Bolsonaro spielt ein gefährliches Spiel – doch mit Erfolg: In Umfragen liegt er seit Wochen mit 16 Prozent auf Platz zwei. Vor ihm ist nur Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der aber zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt worden ist. Sollte diese bestätigt werden, darf der Linkspolitiker nicht kandidieren. Ebenfalls antreten will Ex-Umweltministerin Marina Silva, die knapp hinter Bolsonaro liegt. Das konservative Regierungsbündnis streitet seit Monaten über einen Kandidaten. Gegen viele Parteigranden laufen Korruptionsverfahren, sodass sie nicht antreten können.

In dieses politische Vakuum stößt Bolsonaro mit seiner Kandidatur. Seine Wahlkampfschlagworte sind "mehr Sicherheit" und "weniger Korruption". Ansonsten hat Bolsonaro, der seit 26 Jahren Kongressabgeordneter ist, inhaltlich nichts zu bieten. Demokratie hält er ohnehin für Mist, und Menschenrechte seien nur etwas für Gauner und Nichtstuer.

Staatskrise als Wegbereiter

"In normalen Zeiten wäre Bolsonaro niemals als Präsidentschaftskandidat infrage gekommen", sagte der Politikwissenschafter Matias López. Aber die aktuelle Krise des Staates und die Schwäche der Institution hätten ihn hochkommen lassen. Bolsonaro habe eine breite Wählerschicht hinter sich, die vor allem aus der oberen Mittelklasse und der Oberschicht kommt, warnt López. Und noch etwas hat Bolsonaro von Trump gelernt: Er nutzt die sozialen Medien und hat dort 5,6 Millionen Follower, weit mehr als jeder andere Politiker Brasiliens.

Es gibt wohl kaum jemanden in Brasilien, der in der Vergangenheit mit hetzerischer und menschenverachtender Polemik für so viel Furore gesorgt hat. Bolsonaro verehrt die ehemalige Militärdiktatur (1964 bis 1985), hält sie für die beste Zeit in Brasilien. Folter nennt er legitim. "Gewalt bekämpft man nur mit Gewalt" ist einer seiner markigen Sprüche. Und: "Ein Polizist, der nicht tötet, ist kein richtiger Polizist." Bolsonaro verspricht ähnlich wie Rodrigo Duterte auf den Philippinen hart durchzugreifen.

Vergewaltigung "nicht verdient"

Bolsonaro hat längst seine Wahlkampfmaschinerie angeworfen, die aus ihm einen salonfähigen Politiker machen soll. Deshalb reagiert er in Interviews verärgert, wenn er mit seinen Sprüchen über Schwule und Frauen konfrontiert wird. Er würde das "so nicht wiederholen", erklärte er unlängst. Zudem hätten ihn die Medien bewusst falsch interpretiert.

Misszuverstehen gab es allerdings nicht viel. 2011 sagte er in einem Playboy-Interview, er ziehe es vor, dass sein Sohn bei einem Verkehrsunfall stirbt, als dass er homosexuell ist. Oder: "Wenn sich ein homosexuelles Paar auf der Straße küsst, würde ich zuschlagen." Mehrfach wurde Bolsonaro schon zu Strafzahlungen verurteilt, sein Abgeordnetenmandat musste er aber nicht abgeben. Gleichermaßen verachtend äußerte er sich über Frauen. Zu der Abgeordneten der linksgerichteten Arbeiterpartei PT, Maria do Rosário, meinte er gleich mehrfach: "Sie verdient es nicht einmal, vergewaltigt zu werden."

Auch über Afrobrasilianer hat Bolsonaro seine eigene Meinung, denn die seien seiner Ansicht promiskuitiv. Auf die Frage, was passiere, wenn einer seiner Söhne eine farbige Freundin habe, erwiderte er nur grinsend: "Das wird nicht passieren, sie sind ja schließlich gut erzogen."

Versöhnlichere Töne

Inzwischen hat aber auch Bolsonaro festgestellt, dass Farbige – immerhin zählt sich die Mehrheit der Brasilianer dazu – ebenso wie Frauen und Homosexuelle wichtige Wähler sind. In einem vor kurzem veröffentlichten "Brief an das Volk" gibt er sich deshalb staatstragend und versöhnlich.

"Jemand muss die Wende in der brasilianischen Politik einleiten, und das werde ich sein", verspricht er vollmundig. Anders als bei rechten Kandidaten in Europa steht hinter ihm keine Partei. Aktuell ist er für die Sozial-Christliche Partei (PSC) im Abgeordnetenhaus. Doch seine Parteipräferenz wechselte er bereits neunmal. (Susann Kreutzmann aus São Paulo, 4.12.2017)