Bild nicht mehr verfügbar.

Der Zementhersteller Lafarge ist in das Fadenkreuz der Ermittler geraten: Es gibt den Verdacht illegaler Finanzierung des "Islamischen Staats".

Foto: AP / Christophe Ena

Wien – Die Anschuldigungen sind gewaltig und haben bereits zu einem Rücktritt an der Konzernspitze geführt: Der weltgrößte Zementhersteller Lafarge-Holcim soll nicht nur den "Islamischen Staat" (IS) in Syrien mitfinanziert haben, um dort ein Zementwerk weiterbetreiben zu können; Lafarge, in Österreich mit dem 1997 erfolgten Kauf von Perlmooser uneingeschränkte Nummer eins, soll dem IS auch Erdöl abgekauft und damit gegen ein Embargo verstoßen haben.

Nach dem Rücktritt des langjährigen Lafarge-Chefs Eric Olsen Mitte Juli wurden nun erstmals "inakzeptable Fehler" in der Affäre um Schutzgeldzahlungen im syrischen Bürgerkrieg eingeräumt. Lafarge-Holcim habe sich "zu spät aus Syrien zurückgezogen", sagte Verwaltungsratspräsident Beat Hess der französischen Zeitung "Le Figaro". Hess hat nach Olsens Rückzug den Konzern nicht nur als oberster Aufseher, sondern interimistisch auch als Konzernchef geführt. Anfang September rückte Jan Jenisch an die Spitze, der zuvor Chef des Bauchemiekonzerns Sika war.

Schutzgeld an IS in Syrien

Der französisch-schweizerische Zementriese wird beschuldigt, als Gegenleistung für den "sicheren" Weiterbetrieb des rund 150 Kilometer nordöstlich von Aleppo gelegenen Lafarge-Werks Jalabiya 2013 und 2014 Geld an IS-Extremisten weitergeleitet zu haben. Vorvergangene Woche wurden Büros von Lafarge-Holcim in Paris durchsucht, am Freitag wurden drei Ex-Manager nach 48 Stunden in Gewahrsam einem Haftrichter vorgeführt.

Bei den Beschuldigten handelt es sich um den früheren Chef des Zementwerks Jalabiya, Bruno Pescheux, dessen Nachfolger Frédéric Jolibois und den bei Lafarge für Sicherheit zuständigen Manager Jean-Claude Veillard. Alle drei kamen unter Auflagen wieder frei. "Wir unterstützen die Untersuchungen in vollem Umfang", sagt Konzernsprecher Christian Meuter dem STANDARD. "Im Verfahren haben wir keine Parteistellung, deshalb können wir konkret dazu nichts sagen."

Betrieb in syrischem Werk 2014 eingestellt

Die Untersuchungen zielen auf frühere Kader. Zumindest von den drei Hauptbeschuldigten hat sich Lafarge-Holcim inzwischen getrennt. Auch in Syrien sei man nicht mehr aktiv, sagt Unternehmenssprecher Meuter. "Das Werk in Jalabiya haben wir im September 2014 evakuiert. Alle Mitarbeiter sind weg, da passiert nichts mehr." Man habe 700 bis 800 Millionen Euro in das Zementwerk gesteckt, deshalb wollte man es auch so rasch nicht aufgeben, lautete die Argumentation bis vor kurzem.

Olsen, der laut internen Untersuchungen von den illegalen Geldtransaktionen nichts wusste, ist nicht der Erste, der über die Syrien-Affäre stolpert. Zuvor hatte der frühere Lafarge-Chef Bruno Lafont seinen Rückzug aus dem Verwaltungsrat angekündigt, ohne einen klaren Grund zu nennen.

Zwei Werke in Österreich

In der Österreich-Niederlassung will man, da nicht zuständig, die Affäre nicht kommentieren. Lafarge betreibt in Mannersdorf (Niederösterreich) und Retznei (Steiermark) jeweils ein Zementwerk und beschäftigt dort 250 Mitarbeiter. Die Gesamtkapazität beläuft sich auf rund 1,6 Millionen Tonnen im Jahr. 2016 lag die Gesamtkapazität aller Zementerzeuger bei 4,8 Millionen Tonnen. Der Anteil von Lafarge am heimischen Markt beträgt somit ein Drittel (Günther Strobl, 4.12.2017)