So fesch können Falten sein. Kommen die Elefanten den Touristen aber nahe, setzt bei so manchem die Schnappatmung ein.

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Von 350.000 Elefanten Afrikas leben rund 130.000 in Botswana – einem Rückzugsort für die Tiere.

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Frühmorgens grunzen noch die Nilpferde in der Lagune, dann pfeifen die Baumhörnchen ihr Warnlied, und schließlich zieht es auch einige der Elefanten zum Wasser.

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Jedes Schlammloch wird zur Hautpflege genutzt.

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Seinen ersten Elefanten vergisst man nicht.

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Die Elefanten sind die unbestrittenen Herrscher der Ebene.

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Hinter dem riesigen, ständig wedelnden Ohr ist die Haut rau und trotzdem weich. Der Rüssel hingegen ist, als würde man über einen ausgefransten Bastteppich streichen.

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Den ersten Elefanten vergisst man nicht. Wie er plötzlich hinter der Kurve im Busch steht, unbeeindruckt vom Landrover und seinen Insassen, den Rüssel in die Zweige versenkt und krachend Geäst herausbricht. Ein staubgrauer Riese in der Nachmittagshitze der Chitabe Concession im Okavango-Delta, nordwestliches Botswana. Und dann tauchen neben ihm noch mehr seiner Gefährten auf, ein Elefantenbaby, das im Schnellschritt leicht torkelt, ein Weibchen, das den Kleinen mit dem Rüssel auffängt. Alle eigentlich gar nicht zu übersehen, aber doch so gut getarnt in dieser Landschaft, die im Herbst sandgelb und staubgrau darauf wartet, dass nun endlich die Regenzeit beginnt – und mit ihr die totale Transformation der Savanne in einen Sumpf.

Nirgendwo sonst in Afrika leben so viele Elefanten wie in Botswana. Rund 130.000 Tiere, wie der Great Elephant Census im Sommer dieses Jahres ermittelte – von rund 350.000 Exemplaren auf dem gesamten Kontinent. Insgesamt ist die Population in sieben Jahren um 30 Prozent zurückgegangen. Da die Dickhäuter in umliegenden Staaten wie Namibia, Angola und Sambia stärker von Wilderern verfolgt werden, haben viele der Tiere Botswana als Rückzugsort ausgewählt. Der Bestand gilt als sehr stabil. Das Land bietet unübersehbare Vorteile für sie.

Größtes Binnendelta der Welt

Der südafrikanische Staat ist so groß wie Frankreich, hat jedoch nur zwei Millionen Einwohner. Präsident Khama hat vor zwei Jahren ein Jagdverbot für alle Tierarten verhängt – wohl auch, um den Negativschlagzeilen zu entkommen, nachdem der spanische König Juan Carlos 2012 vor einem toten Elefanten im botswanischen Busch posiert hatte.

Von den sowieso schon gering besiedelten Gebieten ist das Okavango-Delta noch weniger bevölkert. Das Feuchtgebiet steht die Hälfte des Jahres unter Wasser, die Tsetsefliegen machen einem das Leben schwer, es gibt kaum Straßen oder Wege, wozu auch, wenn sie für Monate im Jahr wieder verschwinden. Aber Elefanten macht all das gar nichts aus. Sie lieben das größte Binnendelta der Welt, das mit über 20.000 Quadratkilometern so groß wie Slowenien ist und von der Unesco als Weltnaturerbe deklariert wurde: die größte Sickergrube Afrikas.

An der Gießkanne Angolas

Genau so muss man sich das Okavango-Prinzip nämlich vorstellen – als würde man mit der Gießkanne Wasser in einen Sandkasten hineinspülen. Die Gießkanne, das sind die Berge Angolas, aus denen der Strom wütend heruntertobt. Der Sand gehört der Kalahariwüste, in der das Nass versickert. Durch die Hitze verdunsten 96 Prozent des Flusses in der Luft, nur zwei Prozent dringen überhaupt in den hunderte Meter dicken Sandboden ein, die restlichen zwei Prozent bilden den Fluss. Je dichter man sich an der Gießkanne Angolas befindet, umso feuchter ist die Erde, umso grüner die Vegetation, umso mehr Nahrung für Flusspferde, Impalas und Elefanten.

Nördlich des Chitabe Camps ahnt man diese Verwandlung schon, wenn man mit der kleinen Cessna zur Vumbura-Ebene fliegt. Maximal sechs Sitzplätze in der Propellermaschine, 80 Kilometer Entfernung, 35 Minuten spektakuläre Sicht auf den Okavango. Hier gibt es Geografieunterricht in Zeitlupe. Bis der Fluss verschwindet, formt er Sümpfe, Inseln, Fantasiekurven, mit Wasserpflanzen bedeckte Trassen. Von oben sehen Marschen wie Großaufnahmen der menschlichen Handfläche aus, gezackte Linien wie auf unserem Handteller: Dutzende Wasserschneisen, die das Schilf trennen und wie jahrhundertealte Falten einer Landschaft aussehen. Dazwischen dunkle Punkte wie von einem himmlischen Pfefferstreuer auf das Delta geworfen: Kaffernbüffel und Elefanten.

Herrscher der Ebene

Die Cessna dreht eine lange Kurve, das Flugzeug landet ruckelnd in den Vumbura Plains. Hier stehen selbst in der Trockenzeit einige Gebiete knietief unter Wasser. Litschi-Antilopen und Sattelstörche pflügen durch das Wasser, Nilpferde kühlen sich tagsüber darin ab, und Schreiseeadler bemerken von Hochsitzen jede Bewegung unter der Oberfläche. Die wenigen indigenen Stämme, die hier ausharren, bewegen sich in Mokoros fort, kleinen Holzkanus. Die sind nicht gerade Flitzer. 16 Tage dauert eine Fahrt im Kanu bis zur Stadt Maun, dem Einfallstor der Touristen, wo die Flugzeuge aus Südafrika landen und die der Camps starten, die höchstens eine Stunde bis nach Vumbura benötigen.

Die Elefanten sind die unbestrittenen Herrscher der Ebene. Im Resort der Vumbura Plains arrangieren sich die Menschen deshalb mit ihnen und ihren jahrhundertealten Routen. Über einen erhöhten Holzsteg erreichen Gäste ihre Villa, an manchen Stellen wird der Weg allerdings von einer Treppe unterbrochen und verläuft plötzlich ebenerdig. Dort kreuzt ihn der unsichtbare Pfad der Elefanten hin zum nahen See. Als der Steg früher durchgehend über der Erde entlangführte, haben die Kolosse einfach ihren Körper gegen das Holz gewandt – und krach, schon war der schön gezimmerte Weg dahin. Seit es die Durchbrüche gibt, ist es nicht mehr zu Elefanten-Vandalismus gekommen.

Jedes Schlammloch ein Elefanten-Spa

Dafür passieren jetzt Wunder. Wenigstens für die Gäste, besonders wenn sie am Rand des Camps übernachten. Frühmorgens grunzen noch die Nilpferde in der Lagune, dann pfeifen die Baumhörnchen ihr Warnlied, und schließlich zieht es auch einige der Elefanten direkt an der Villenterrasse vorbei zum Wasser. Auge in Auge stehen sie vor den Gästen, mit dem Rüssel schon am nächsten Zweig – und leidlich gleichgültig gegenüber der Schnappatmung, die sie bei Touristen verursachen. Der graue Riese zieht einfach weiter, es gibt immer noch einen Mopane-Baum, den es niederzumachen gilt, und Wasser, in das man sich so gern hineinlegt, um die sensible Haut zu pflegen. Jedes Schlammloch ist ein Elefanten-Spa. Da müssen auch die Warzenschweine ganz schnell verschwinden, wenn sie nicht erdrückt werden wollen.

Und wie fühlt sich diese Haut nun an? Bee ist ein botswanischer Wildhüter, ein Elefantenkenner und Gentleman. Seit sieben Jahren arbeitet der 29-Jährige aus Maun im Abu Camp, 20 Flugminuten südlich der Vumbura-Ebene. Bee nähert sich unter einem Leberwurstbaum einem Elefanten, "nicht unter die hängenden Früchte stellen", warnt er Besucher vor dem kiloschweren Obst, dann streichelt er das Tier hinter dem Ohr und fordert die wenigen Gäste des Camps auf, es ihm nachzutun. Hinter dem riesigen, ständig wedelnden Ohr ist die Haut rau und trotzdem weich. Der Rüssel hingegen ist, als würde man über einen ausgefransten Bastteppich streichen.

Walking Safari

Solche Begegnungen verbieten sich eigentlich von selbst. Doch das Abu Camp verfügt über etwas sehr Besonderes: eine eigene Herde von halbwilden Elefanten. Vor einigen Jahren waren es 16 Tiere, im Moment trotten sechs jeden Morgen aus den Stallungen des Camps hinaus und abends wieder hinein. Jedes Tier kann selbst entscheiden, ob es irgendwann die Weite des Deltas und eine andere Familie dem Schutz des Camps vorzieht. Deshalb schwankt die Zahl.

Die Elefanten wurden anfangs aus Zoos und Zirkussen gerettet, einige wurden später im Camp geboren oder kamen als Waisen hierher. Das erklärt die gefühlte Nähe zu den Menschen. Bis vor ein paar Jahren dressierten die Wildhüter die Tiere noch, damit Touristen auf ihnen reiten können. Damit ist Schluss. Die alten Elefantendamen Cathy und Shireni werden von den Pflegern noch geritten, aber Gäste nicht mehr ermutigt, auf ihnen eine Safari zu unternehmen.

Chefin der Herde

Dafür können Besucher des Abu Camp mit der kleinen Herde eine Walking Safari machen. Sie gehen in einer Ameisenlinie hinter den Tieren vorbei an Akazienbäumen und Termitenhügeln, die aussehen, als wären sie der Fantasie des katalanischen Architekten Gaudí entsprungen, sie sehen wachsame Impalas und irritierte Zebras. Hüter wie Bee haben zur Sicherheit eine Waffe dabei, obwohl sich kein vernünftiger Löwe oder Leopard trauen würde, Menschen als Teil der Dickhäutergruppe anzugreifen.

Mit Cathy & Co spazieren zu gehen heißt, deren Unterschiede begreifen zu lernen. Dass Shireni einen abgebrochenen Stoßzahn hat. Dass Cathy die Chefin der Herde ist, deshalb am Ende der Gruppe läuft und manchmal tiefe Laute ausstößt, die laut Bee dazu da sind, die Herde zum zügigen Fortbewegen zu animieren. Dass die junge Kuh Paseka ein Loch im Ohr hat, das ihr vermutlich Hyänen zugefügt haben, als sie 2009 versuchten, das von ihrer Herde getrennte Baby anzugreifen und zu reißen. Paseka rettete sich in den Heizungsraum des Abu Camp – und ist seitdem Mitglied der dortigen Elefantenherde.

Nahe am Elefanten dran

Der Star der Gruppe ist jedoch Naledi. Gerade ist sie drei Jahre alt geworden. Ihre Mutter verstarb kurz nach der Geburt, das Baby musste von den Pflegern mit der Hand aufgezogen werden, weil keine der älteren Elefantendamen genug Milch für sie hatte. Sie rennt schon mal aufgeregt auf Menschen zu, eine Tonne Glücksgefühl mit Karambolagegarantie, weil sie mit ihnen spielen will – und lässt sich bereitwillig von Gästen mit Zwei-Liter-Milchflaschen füttern. Aber Vorsicht: Naledi kaut gern auf den Plastikflaschen herum und versucht diese zu vernaschen, sobald die Milch ausgetrunken ist. Da müssen zwei Erwachsene eingreifen, um die Flasche aus ihrem Maul zu ziehen.

Nirgendwo sonst im südlichen Afrika kommt man Elefanten so nahe wie in diesem Camp mit 94 Quadratkilometern Auslauf. Damit das Erlebnis einmalig bleibt, stehen nur sechs – allerdings luxuriös ausgestattete – Safarizelte für Reisende zur Verfügung. Abends treffen sich die Gäste zum Sundowner am Lagerfeuer, einige wilde Elefanten trotten am Horizont entlang, und dann schwärmen erwachsene Männer wie Kinder von ihren ersten Ferien: wie es war, den Rüssel eines Elefanten zu fühlen. Den ersten Kontakt zu den sanften Riesen vergisst keiner. (Ulf Lippitz, RONDO, 7.12.2017)