München – Körperzellen besitzen "Not-Aus"-Funktionen, die dafür sorgen, dass eine defekte Zelle nicht zu einer unkontrolliert wachsenden Tumorzelle wird. Ein Team der Technischen Universität München (TUM) hat jetzt einen solchen Aus-Schalter in Immunzellen, den T-Zellen, entdeckt.

Die Ergebnisse ließen sich in Zukunft für neue Therapien gegen Lymphdrüsenkrebs, den T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen, nutzen, heißt es vonseiten der TUM. Denn solche Lymphome werden durch fehlerhafte Immunzellen ausgelöst.

Normalerweise sind T-Zellen im Körper unter anderem dafür verantwortlich, dass entstehende Krebszellen sofort erkannt und abgetötet werden. Problematisch wird es, wenn eine T-Zelle selbst Fehler in ihrem Erbgut, der DNA, entwickelt. Betrifft das Bereiche, die für das Zellwachstum verantwortlich sind, sogenannte Onkogene, kann die T-Zelle selbst zu einer unkontrolliert wachsenden Tumorzelle werden. Zusätzlich fällt sie in diesem Fall als ein wichtiger Teil des körpereigenen Abwehrsystems gegen Krebs aus.

Schutzschalter gegen unkontrolliertes Wachstum

Genau das geschieht bei den T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen, erläutert die TUM. Diese aggressive Form von Lymphdrüsenkrebs hat sehr schlechte Heilungschancen und betrifft in Deutschland etwa eine von 100.000 Personen.

Die Münchner Forscher haben in einer in "Nature" veröffentlichten Studie gezeigt, dass auch die fehlerhaften T-Zellen einen Not-Ausschalter, einen sogenannten Tumorsuppressor haben. Sie fanden heraus, dass das Protein PD-1 defekte T-Zellen frühzeitig abschalten kann und verhindert, dass sie zu Tumorzellen werden.

Die Forscher entdeckten diese Funktion von PD-1 zuerst in einem Mausmodell für T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphome und haben den Mechanismus aufgeklärt. PD-1 wird demnach durch Fehler in Genen für das Zellwachstum, sogenannten Onkogenen, aktiviert und unterdrückt dann die Wirkung dieser Gene mit Hilfe zusätzlicher Proteine. Es verhindert so als Schutzschalter ein unkontrolliertes Wachstum der defekten T-Zelle.

Therapieansatz

Die Wissenschafter konnten auch die Frage klären, warum trotz dieser Schutzfunktion viele T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphome so aggressiv sind. Sie untersuchten genetische Datensätze von 150 Patienten. "Durch unsere vorherigen Ergebnisse haben wir gezielt PD-1 unter die Lupe genommen. In einzelnen Gruppen hatten mehr als 30 Prozent der Patientinnen und Patienten Veränderungen in den Regionen des Erbguts, die die Herstellung von PD-1 störten. Das hat für den Tumor fatale Folgen – PD-1 als 'Not-Aus' funktioniert bei ihnen nicht mehr. Die kranken T-Zellen können sich unkontrolliert vermehren", sagt Tim Wartewig, Erstautor der Studie.

"Solchen Menschen könnten Medikamente helfen, die einen Ausfall des PD-1-Signals wieder aufheben und damit die Tumorzellen zerstören. Medikamente dieser Art gibt es bereits für andere Krebsformen – ein Einsatz bei T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen sollte aus unserer Sicht überdacht werden", erklärt Jürgen Ruland, Direktor des Instituts für Klinische Chemie der TUM. Die Wissenschafter empfehlen deshalb, individuelle Unterschiede der Tumore zu untersuchen und erst dann zu entscheiden, welches Medikament verabreicht wird. (APA, 5.12.2017)