Ross mit seiner Frau Elisabeth, seinem Sohn Ralph, und dem berühmten "Kurbelkasten".

Foto: Ludwig-Boltzmann-Institut für Geschichte und Gesellschaft

Wien – Gandhi sei überhaupt nicht beeindruckend und außerdem ziemlich hässlich. So beschrieb Colin Ross sein Zusammentreffen mit dem indischen Widerstandskämpfer und Pazifisten Mahatma Gandhi, als er ihn im März 1930 beim Salzmarsch gegen die britische Besatzung in Ahmedabad angetroffen hatte. "Das sagt aber wahrscheinlich mehr über Ross und seine Vorlieben für militärische Führung aus als über Gandhi," sagt Joachim Schätz, der für das Ludwig-Boltzmann-Institut für Geschichte und Gesellschaft am literarischen und visuellen Erbe des Reisejournalisten Ross arbeitete.

Entstanden ist dabei die Online-Ausstellung "Mapping Colin Ross", die nun, initiiert vom Wissenschaftsfonds FWF, als Kooperation zwischen dem Ludwig-Boltzmann-Institut und dem österreichischen Filmmuseum präsentiert wurde. Es geht hier um die Frage, wie man mit Material umgehen soll, dass zur Zeit des Nationalsozialismus als Propaganda, aber auch als Berichterstattung gedient hat. "Wir haben in ihm eine Art Schlüsselfigur gesehen, durch die gut sichtbar wird, wie Massenkultur mit all ihren ideologisch-politischen Implikationen zu dieser Zeit funktioniert hat," sagt Katalin Teller, die mit Schätz für das Projekt recherchierte.

Auf seiner Amerikareise filmte er ein Heer an Arbeitslosen, um auch "weiße" Armut in Folge der anhaltenden Depression darzustellen.
Colin Ross

34 Jahre auf Reisen

Gleichzeitig ging es darum, einen Kontrast zu der üblichen Verwicklung von Ross zu schaffen: "Wer sich für Ross interessiert, soll auf einer guten Basis das Material konzipiert haben, ohne gleich auf rechtsextreme Seiten zu stoßen," sagt Joachim Schätz.

Analog zu Räumen in einem Museum kann man sich durch verschiedene Themenseiten im Bereich "Mindmap" klicken oder Ross' Reise anhand einer "Geomap" verfolgen. Filmfragmente, Artikel und andere Dokumente zeichnen dabei ein sehr diverses Bild der populären, jedoch umstrittenen Person.

Insgesamt 34 Jahre an Reisen, teilweise mit seiner Frau und seinen zwei Kindern, wurden dabei von verschiedenen Medienhäusern, wie dem Ullstein- oder Brockhaus-Verlag gesponsert. Auch wenn es dabei nie einen offiziellen Staatsauftrag gab, war sein politisches Interesse kaum zu Verbergen, erzählt Schätz: "Es hat ihn vermutlich sehr geschmeichelt, als es auf seiner Amerikareise den Vorwurf gab, er wäre als Nazi-Spion unterwegs." Erst 1933 eindeutig für den Nationalsozialismus. Propagandistische Strategien findet man jedoch auch schon zuvor als maßgebliche Leitlinie in seiner Berichterstattung.

In Ozeanien beschäftigt er sich auf fragwürdige Weise mit einer der großen Fragestellungen für die damalige Geopolitik: Wie hält man die richtige Balance zwischen Völkern und Raum?
Colin Ross

Mit Kind und Kegel

Die Auswahl und Anordnung der besuchten Orte, klare Gegenüberstellungen zwischen armen und reichen Bevölkerungsgruppen, das Interesse an deutschen Communitys im Ausland und die Verstärkung von Rassismen und Exotismen sind dabei nur einige Beispiele des ideologisch belasteten Materials. "Es wird ganz bewusst mit Kontrasten gespielt, besonders in der Aneinanderreihung von Orten: Er zeigt zum Beispiel zuerst Australien, wo es zu viel Platz gibt, und als Nächstes sehen wir dann schwimmende Städte im chinesischen Kanton, wo die Menschen wortwörtlich keinen Boden unter den Füßen haben," sagt der Wissenschaftskoordinator Schätz.

Die ideologische Sprengkraft verstärkt sich auch durch seine Rolle als belehrender Reiseführer, der die lokale Bevölkerung ethnografisch erfasst. Gleichzeitig wird er so auch zu einer populären Figur in vielen Kreisen. Durch das Zuschneiden auf verschiedene Lesarten schaffte er es, eine ganze Reihe an Leuten anzusprechen, und stellte selbst für die Linke noch lange Zeit eine Bezugsperson dar. "Er hat das begrüßt, solange die Leute was von ihm sehen und kaufen wollten," so Schätz.

Auch die absichtlich liebenswert gestalteten Familienszenen werden zu seiner Marke, sagt Katalin Teller: "Diese Familienreisen laufen immer vor dem Hintergrund einer gutbürgerlichen Familie ab, die sich auf Abenteuer einlässt." Spätestens durch seinen Tod werden die eigentlichen Intentionen der Populärfigur jedoch klar: 1945 erschießt er sich und seine Frau in einer von NS-Sympathisanten bereitgestellten Villa am Walchensee – eine Woche bevor Hitler dasselbe tat. (Katharina Kropshofer, 8. 12. 2017)