Bern/Wien – Die Schweizerinnen und Schweizer stimmen am 4. März 2018 darüber ab, ob sie weiterhin Rundfunkgebühren bezahlen – die dort unter "Billag" laufen wie in Österreich unter "GIS". Eine Marketagent-Umfrage für die Schweizer "Sonntagszeitung" sorgte gerade für Diskussionen. Selbst Befürworter der "NoBillag"-Initiative wollten das Ergebnis – 57 Prozent für die Abschaffung – nicht recht glauben.

"Stimmten wir heute über die No-Billag-Initiative ab, würde sie angenommen", schloss die "Sonntagszeitung" der Tamedia aus der Umfrage von Marketagent Schweiz. 57 Prozent würden für die Abschaffung stimmen, nur 34 Prozent dagegen. Nur acht Prozent wären unentschieden.

Die "Neue Zürcher Zeitung" fasste eine Reihe von Kritikpunkten an der Onlineumfrage zusammen – etwa: Menschen über 65 Jahren, die üblicherweise besonderes eifrig abstimmten und tendenziell eher bereit wären, Rundfunkgebühren zu zahlen, wurden nicht befragt. 1010 Menschen beantworteten den Fragebogen, 648 waren tatsächlich stimmberechtigt und wurden für die Studie ausgewertet. Ein Politikwissenschafter vermisst Gewichtung der abgegebenen Stimmen entsprechend der abstimmenden Bevölkerung.

ISO-zertifiziert

Thomas Schwabl, Gründer von Marketagent Österreich (hält an der Schweizer Marketagent eine Minderheitsbeteiligung), verteidigt Onlineumfragen auf STANDARD-Anfrage. Marketagent verwalte das erste ISO-zertifizierte Onlinepanel im deutschsprachigen Raum, Schwabl ist Mitglied im zuständigen Normungskomitee. Schwabl: "Eine Online-Befragung per se als minderwertige Erhebungsmethode zu klassifizieren, kann man so nicht stehen lassen. Wir erreichen über unser Online-Instrumentarium laut Austrian Internet Monitor 86 Prozent der heimischen Gesamt-Bevölkerung. Ich glaube nicht, dass mit dem Telefon diese theoretische Abdeckung generiert werden kann." Laut Austrian Internet Monitor nutzten im dritten Quartal 86* Prozent der Menschen ab 14 überhaupt das Internet.

Die Zahl der Befragten sei ein Qualitätsmerkmal, "längst aber nicht das Einzige oder Wichtigste", erklärt Schwabl: "Die Stichprobengröße alleine hat nur eingeschränkte Aussagekraft." Und zur nicht ausgewiesenen Schwankungsbreite: "Bei einem 1.000er-Sample liegen übrigens die theoretischen Schwankungsbreiten zwischen 1,4 und 3,1 Prozentpunkten. Das wurde sicherlich nicht absichtlich weggelassen oder bewusst verschwiegen."

Überleben ohne Gebühren

Die in der Schweizer Marketagent-Umfrage berücksichtigten Respondenten sprachen sich mehrheitlich für eine Abschaffung der Gebühren, sie rechnen aber zugleich nicht mit einem Ende der gebührenfinanzierten SRG, wenn die Initiative angenommen wird und die Rundfunkgebühren abgeschafft würden. 27,3 Prozent erwarten den Abschied vom Public Broadcaster "eher nicht", 21,6 Prozent "überhaupt nicht".

Milliarde aus Rundfundfunkgebühren

Derzeit kommen 75 Prozent der SRG-Einnahmen (von insgesamt 1,4 Milliarden) aus Rundfunkgebühren. 34 private Radio- und Fernsehstationen erhalten zudem rund 58 Millionen Euro Förderung aus Rundfunkgebühren.

Im März 2018 stimmen die Schweizerinnen und Schweizer über neue Verfassungsbestimmungen wie diese ab: "Der Bund subventioniert keine Radio- und Fernsehstationen." Er könne aber für die Ausstrahlung "dringlicher Mitteilung" zahlen. Und: "Der Bund oder durch ihn beauftragte Dritte dürfen keine Empfangsgebühren erheben." Er dürfe zudem "in Friedenszeiten keine eigenen Radio- und Fernsehstationen betreiben".

Die SRG ist formal kein öffentlich-rechtlicher oder gar staatlicher Anbieter, sondern als privater Verein mit Verfassungsauftrag organisiert.

2015 knappe Mehrheit für Haushaltsabgabe

Die Schweizerinnen und Schweizer haben erst im Juni 2015 über Rundfunkgebühren abgestimmt. Damals ging es um die Umwandlung in eine Haushaltsabgabe für alle, unabhängig vom Empfang, die es in Deutschland schon seit 2013 gibt. Damals sprachen sich 50,1 Prozent der abgegebenen Stimmen für die Haushaltsabgabe aus.

Wenige Wochen vor dieser Abstimmung ließ die SRG das Meinungsforschungsinstitut gfs 1405 Menschen befragen, wofür sie sich entscheiden werden. 47 Prozent gaben an, sie würden gegen die Haushaltsabgabe stimmen, 43 für die Abgabe für alle und zehn Prozent zeigten sich unentschlossen.

Und die GIS?

Die FPÖ ging mit GIS-kritischen Aussagen in die Regierungsverhandlungen. Zuletzt sprachen Verhandler über die Medienpläne von ÖVP und FPÖ vom Ziel, die Gebühren pro Haushalt zu senken. Thema in den Gesprächen war zudem, private Medien stärker zu fördern. (fid, 6.12.2017)