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Dunkle Wolken brauen sich über dem Felsendom zusammen.

Foto: Reuters/Awad
Graphik: Standard
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Wenn US-Präsident Donald Trump die Botschaft seines Landes von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt und die Stadt als Hauptstadt Israels anerkennt, betritt er damit ein brisantes Terrain. Bisher vermied Washington diesen Schritt in der 70-jährigen Geschichte Israels konsequent. Israel sieht Jerusalem als seine unteilbare Hauptstadt an, während die Palästinenser zumindest Ostjerusalem, zum Teil aber ebenfalls ganz Jerusalem als ihre Hauptstadt fordern.

Trump löst damit ein Wahlversprechen ein. Allerdings werden bis zu einer tatsächlichen Übersiedlung der Botschaft in jedem Fall einige Jahre vergehen, schließlich muss dafür erst ein geeignetes Hochsicherheitsgebäude errichtet werden. Doch die Ankündigung alleine reicht aus, um im Nahen Osten eine weitere Welle der Gewalt auszulösen – schon weitaus geringere Ereignisse haben in der Vergangenheit zu blutigen Eskalationen geführt.

Reise nach Jerusalem

Um das Jahr 621 soll Mohammed in einer nächtlichen Reise auf dem Fabelwesen Burak von Mekka zu einer "fernen Kultstätte" geflogen und von dort in den Himmel aufgefahren sein. So lautet kurzgefasst die Legende, die in verschiedenen Varianten tradiert wird. Der Prophet der Muslime soll dabei mehrere Kollegen getroffen haben, darunter Adam, Jesus, Moses und Abraham. Von Gott erhielt er die Weisung, 50-mal am Tag zu beten, was er schließlich auf fünf Gebete pro Tag herunterverhandelte. Bei der "fernen Kultstätte" soll es sich um eine Umschreibung für Jerusalem handeln.

Wegen dieser Reise nach Jerusalem gilt der Ort mit dem Felsendom und der Al-Aqsa-Moschee als drittheiligste Stätte des Islam. Hieraus resultiert der Anspruch der muslimischen Welt auf den Tempelberg, von wo aus Mohammed seine Himmelfahrt gestartet haben soll.

Im Talmud wiederum wird berichtet, dass die Erde, mit der Gott Adam geschaffen haben soll, vom Tempelberg stammte. Abraham wollte hier seinen Sohn Isaak opfern, und hier standen der Tempel Salomons und später der sogenannte Zweite Tempel, der im Jahr 70 von Titus' Truppen zerstört wurde. Von diesem Tempel ist nur noch die westliche Grundmauer erhalten, die sogenannte Klagemauer.

Annexion Ostjerusalems

1947 war im Teilungsplan der Vereinten Nationen für Jerusalem ein Status unter internationaler Verwaltung vorgesehen. Die Besetzung des zuvor von Jordanien verwalteten Ostjerusalem im Sechstagekrieg 1967 durch Israel und die international nicht anerkannte Annexion im Jahr 1980 führten zu der heutigen Situation. Altstadt und Tempelberg liegen im Osten der Stadt.

Intifada und Gewalt

Im Jahr 2000 besuchte der spätere israelische Premierminister Ariel Sharon den Tempelberg. Radikale Palästinenser nahmen dies zum Anlass für einen bewaffneten Aufstand, die zweite Intifada. Die Gewaltwelle dauerte bis ins Jahr 2005 an. Im Herbst 2015 verschanzten sich Palästinenser vor dem jüdischen Neujahrsfest in der Al-Aqsa-Moschee. Polizisten wurden mit Steinen und Feuerwerkskörpern attackiert, der darauffolgende Einsatz der Sicherheitskräfte führte letztlich zu einer weiteren Gewaltwelle, in deren Verlauf es zu zahllosen Angriffen mit Messern und Fahrzeugen kam. Mehrere Dutzend Israelis kamen dabei ums Leben.

Im Juli 2017 verschärfte sich die Situation erneut, als Israel neue Sicherheitskontrollen einführte, nachdem zwei Polizisten mit Waffen erschossen worden waren, die Attentäter auf den Tempelberg geschmuggelt hatten. Die daraufhin errichteten Schleusen mit Metalldetektoren wurden von Muslimen als Einschränkung ihrer Zugangsrechte aufgefasst, was zu Ausschreitungen mit mehreren Toten führte.

Keine Botschaften in Jerusalem

Wenn die US-Vertretung nach Jerusalem übersiedelt, ist sie aktuell die einzige Botschaft in der Stadt. In den 50er-Jahren hatten allerdings mehrere Länder bereits ihre Vertretung in Jerusalem, hauptsächlich lateinamerikanische Staaten (Bolivien, Chile, Guatemala, Kolumbien, Costa Rica, die Dominikanische Republik, Haiti, Ecuador, El Salvador, Panama, Uruguay, Venezuela) und afrikanische Staaten (Cote d'Ivoire, Zaire – die heutige Demokratische Republik Kongo – und Kenia), aber auch die Niederlande. Die afrikanischen Staaten verließen Jerusalem wegen des Jom-Kippur-Kriegs 1973, die meisten übrigen Vertretungen wurden 1980 infolge der Annexion Ostjerusalems verlegt. Die letzten Länder, die ihre Botschaften aus Jerusalem abzogen, waren Costa Rica und El Salvador im Jahr 2006.

Trumps Schritt ist auch ein Bruch mit der Politik seines Vorgängers Barack Obama. Am 23. Dezember 2016 beschloss der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 2334, in der der israelische Siedlungsbau im besetzten Westjordanland und im annektierten Ostjerusalem verurteilt wird. Alle Sicherheitsratsmitglieder stimmten für die Resolution – mit Ausnahme der USA, die nicht wie üblich von ihrem Vetorecht Gebrauch machten, sich jedoch enthielten. Das wurde als Affront Obamas gegenüber dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu interpretiert, mit dem der scheidende US-Präsident während seiner beiden Amtszeiten zu keiner Lösung im Friedensprozess gekommen war. (Michael Vosatka, 6.12.2017)