Wien – Die berüchtigten Diktatoren des vergangenen Jahrhunderts hatten fleißig in den Geschichtsbüchern geblättert. Ob Hitler, Mussolini, Stalin, Lenin, Franco, Mao, selbst die B-Nummer Tito, sie alle studierten intensiv, wie man sich dem Volk präsentiert. Auftritte der Royals hatten selbst für eingefleischte Kommunisten gewisse Vorbildwirkung, selbst wenn sie nachher den Zaren mit der ganzen Familie liquidierten.
Beim Besuch in den Museen, im Prado in Madrid, in den Uffizien in Florenz oder gar der Tretjakov-Galerie zu Moskau wurde den Diktatoren die ideale Präsentation vorgezeigt. Die historischen Vorbilder ritten meist auf Schimmeln an der Spitze einer Entourage, mitunter mit gezogenem Schwert. Der Schimmel war passé, das Schwert wurde zur ausgestreckten Hand, exklusive Mobile betonten die Bedeutung, die Entourage blieb.
In Zeiten ohne Facebook, Internet, Handy oder TV war Mut gefordert. Als lebende Zielscheibe, ohne schusssichere Weste, aufrecht im offenen Wagen, zeigte man sich dem Volk. Lee Harvey Oswald demonstrierte in Dallas am falschen Objekt, wie es funktioniert hätte, einen dieser Verbrecher aus dem Verkehr zu ziehen.
Prestigeträger Mercedes
Für Adolf Hitler diente seit 1923 der Marstall von Mercedes-Fahrzeugen als Prestigeträger für seine Auftritte. Hitler zeigte immer großes Interesse für Automobile, clevere Oldtimerhändler hausieren heute in aller Welt noch immer mit dem angeblich persönlichen Wagen des Diktators herum, in der Hoffnung, viel Geld zu machen.
Das Objekt der Begierde heißt Mercedes W 150 Typ 770 K. Mit sechs Meter Länge in Yachtnähe, allein der Kühlergrill ist ein Meter hoch, treibt ein 7,7-Liter-8-Zylinder mit Kompressor dieses Fahrzeug mit 3400 bis 4800 kg (gepanzert) Eigengewicht bei Bedarf auf 170 km/h, Leistung: zwischen 155 und 230 PS. Mit kugelsicheren 20-Kammer-Reifen konnten nur maximal 80 km/h erreicht werden. 88 Stück baute Mercedes als Limousine und Cabrio, rund 40 Stück landeten in Hitlers Fuhrpark.
Nach dem Krieg bedienten sich Marschall Schukow und General Patton daraus, das Auktionshaus Bonhams schätzt den Wert eines der wenigen erhaltenen Exemplare auf 2,3 bis 2,8 Millionen Euro. Exklusive Sammler hüten diese Schätze, auch in der Oststeiermark. Erich Kempka, Hitlers Leibchauffeur, verwies alle Geschichten von einem Privatwagen des "Führers" in das Reich der Fantasie – er bediente sich stets des offiziellen Fuhrparks. Und Hitler besaß zwar keinen Führerschein, dafür war er aber zeitlebens Mitglied des Automobilklubs ADAC.
Geschenk unter Freunden
Der Mercedes 770 K führt direkt zu Joseph Stalin. Als sich rund um die Teilung Polens 1939 die beiden Massenmörder schätzten, sandte Hitler als Geschenk ein Cabrio 770K W 150 nach Moskau, nicht wissend, dass die Leibwache Stalin Fahrten in offenen Autos verbat. Der Sowjet-Imperator bevorzugte übrigens US-Hersteller – so wie den Packard, den er von Präsident Roosevelt geschenkt bekam.
In den jungen Jahren als Diktator hielt er es wie sein Vorbild Lenin. Der Zar hatte Rolls-Royce favorisiert, und es gehörte offenbar im Arbeiter- und Bauernstaat zum guten Ton, mit einem offenen R-R durchs Land zu brausen, etwa um persönlich die Ausrottung der Kulaken in Augenschein zu nehmen.
Alfa Romeo 6C
Mussolini, der selbsternannte Duce, fuhr mit Begeisterung schnelle Autos; 1930 testete er sogar den damals aktuellen Alfa-Romeo-Formelrennwagen. Im privaten Fuhrpark standen Alfa 6C 2500 Sport (heute in der Sammlung Bernie Ecclestone), Fiat 1800 Cabrio und Alfa 1750 Torpedo. Der Dienstwagen hieß Lancia Astura IV Ministeriale, mit 3,2-Liter-V8 und 62 PS.
Hitlers Autogeschenke gingen auch nach Spanien. Dem begeisterten Jäger Franco stellte er den legendären Mercedes-Dreiachser G 4 vor die Türe. Ein Auto mit 5,0-Liter-Motor, 110 PS, hinten zwei Starrachsen, 4-Gang-Schaltung; Verbrauch: rund 38 l / 100 km. Der Caudillo zeigte aber kaum Interesse – sein Autoherz schlug für Packard 120 (1941), Rolls-Royce Phantom IV, Cadillac Fleetwood (1970). So steht der Mercedes heute? In der Garage des Königs.
Mercedes 600 Landaulet
Der Kroate Josip Broz, Kampfname Tito, Feldwebel der k. u. k. Armee im Ersten Weltkrieg, ehemaliger Mechaniker in der Automobilfabrik Laurin & Klement, später Skoda, liebte als Diktator in Jugoslawien Prunk und Eleganz. Als Mercedes 1966 den staatstragenden 600er als Landaulet (Cabrio- Heck) vorstellte, bestellte Tito umgehend – zeitgleich mit Kongos Mobutu und Papst Paul VI.
Mao, der Urvater von Chinas Kommunisten, verwendet für eine erste Siegesparade 1949 in Peking erbeutete US Jeeps, später rüsteten die Russen seine Armee aus. Freude und Platz machte ihm erst eine Stretchlimousine chinesischer Herkunft – zehn Meter lang. (Peter Urbanek, 6.12.2017)