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Abgastests sind hochsensible Angelegenheiten. Der von einem Gutachter in den Labors der TU Wien durchgeführte wurde von VW-Anwälten akribisch überwacht.

Foto: dpa / Julian Stratenschulte

Wien – Das Jahresende rückt näher und die Nervosität im VW-Abgasskandal steigt. Dafür sorgt nicht nur der Ablauf des Verjährungsverzichts, den Volkswagen (über ihre Tochter Porsche Holding) für VW-Händler abgegeben hat. Insbesondere das für November angekündigte Sachverständigengutachten in einem Zivilverfahren vor dem Landesgericht Linz macht die Beteiligten unrund.

Denn dieses Gutachten nährt Befürchtungen und Hoffnungen gleichermaßen, der vom Fahrzeugtechnikexperten der TU Wien, Werner Tober, im September durchgeführte Vier-Wochen-Dauertest könnte den Nachweis erbringen, dass der mit der Abgasmanipulationssoftware auffällig gewordene VW-Motor EA 189 ohne Abgasschummel höhere Stickoxidwerte (NOx) ausstößt als gemäß Neuem Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) zulässig. Wiewohl sich der österreichische VW-Ableger Porsche Holding selbstbewusst gibt, nicht nur diesen Zivilprozess für sich zu entscheiden: Die sprichwörtliche gmahte Wiesn dürfte es für VW nicht sein.

Gutachten Mitte Dezember

Noch müssen sich die Klagsparteien gedulden, denn der Sachverständige hat laut STANDARD-Infos um Fristerstreckung ersucht. Das Testergebnis soll nun Mitte Dezember bei Gericht einlangen. Dem Ergebnis der Untersuchung könnte weitreichende Bedeutung zukommen – auch für die strafrechtlichen Ermittlungen in Österreich und Deutschland. Denn gelingt es dem Spezialisten für Antriebstechnik auf dem Rollenprüfstand, vereinfacht ausgedrückt, eine Straßenfahrt im "Schmutzmodus" zu simulieren, also quasi die Abgasmanipulationssoftware auszutricksen, dann wären die Schadstoffgrenzwerte nachweisbar überschritten.

Die Folgen wären gravierend: Ohne Schummelsoftware wären die inkriminierten VW-, Skoda-, Seat- und Audi-Modelle beim NEFZ-Test durchgefallen und hätten vom deutschen Kraftfahrtbundesamt nie eine Zulassung bekommen. "Diese Autos hätten nicht verkauft werden können", sagt der auf den VW-Skandal spezialisierte Anwalt des Klägers im Linzer Verfahren, Michael Poduschka. "Meines Erachtens würde damit auch im Strafverfahren der Beweis des versuchten und vollendeten Betruges vorliegen."

Die Volkswagen AG in Wolfsburg und ihr Österreich-Ableger Porsche Holding in Salzburg (der Generalimporteur) bestreiten die Vorwürfe stets vehement. Es gilt die Unschuldsvermutung.

"Die Saubermacher"

Mit der Abwehr von Klagen – in 54 Ländern wird gegen VW geklagt – befasst ist eine Armada von Rechtsberatern. Weltweit koordiniert wird das dichte Netz von der international tätigen Kanzlei mit Sitz in London, Freshfields Bruckhaus Deringer, wie in der Dezember-Ausgabe der Juristenzeitschrift Juve unter dem Titel "Die Saubermacher" dargelegt. In Österreich vertritt den Weltauto-Konzern und sein Händlernetz bei der Abwehr von Klagen die Salzburger Sozietät Pressl Endl Heinrich Bamberger, während sich Dorda Rechtsanwälte Anlegerklagen widmete. Letztere wurden in Österreich abgewehrt. Der Oberste Gerichtshof verwies Aktionäre an das Landgericht Braunschweig.

Der Aufwand für Rechtsberatung – im dritten Quartal war das VW-Ergebnis aus dem laufenden Geschäft mit rund 2,5 Milliarden Euro belastet – dürfte bei VW weiter steigen. Denn mit Jahresende verjähren zwar vertragliche Ansprüche gegen (die von VW schadlos gehaltenen) VW-Händler, auf Schadenersatz können Autobesitzer den Konzern aber noch bis September 2018 klagen.

Verjährung zu Jahresende

Wie viele Prozesse auf Rückabwicklung des Fahrzeugkaufs, Täuschung oder Irrtumsanfechtung in Österreich anhängig sind, war am Mittwoch nicht in Erfahrung zu bringen. Auf "weniger als 200" beziffert Porsche-Holding-Sprecher Richard Mieling die anhängigen Klagen. Es seien gut 600, sagen hingegen informierte Juristen unter Berufung auf VW-/Porsche-Austria-Kreise. Ein Rundruf des STANDARD offenbart zweifellos ein unvollständiges Bild, aber auch eine große Differenz: Allein Pichler Rechtsanwälte in Dornbirn gibt an, rund hundert Verfahren gegen VW-Händler zu führen, weitere fünf kämen nächste Woche dazu. Poduschka gibt die von ihm angestrengten Klagen mit 121 an, der Rechtsberater des Vereins für Konsumenteninformation, Alexander Klauser, spricht von knapp 20. Andrang registriert auch Benedikt Wallner von der gleichnamigen Kanzlei in Wien, täglich kämen drei bis fünf neue Klagen betroffener Konsumenten hinzu. (Luise Ungerboeck, 7.12.2017)