Ankara – Mehr als ein Jahr nach seiner Festnahme hat in Ankara der Prozess gegen den Chef der prokurdischen Partei HDP, Selahattin Demirtaş, wegen Terrorvorwürfen begonnen. Demirtaş weigerte sich am Donnerstag, sich von der Untersuchungshaft im westtürkischen Edirne per Video zu der Verhandlung zuschalten zu lassen, sagte HDP-Sprecher Ayhan Bilgen der Deutschen Presse-Agentur.

Demirtaş habe stattdessen erfolglos beantragt, persönlich vor Gericht erscheinen zu dürfen. Der Staatsanwalt habe zum Prozessauftakt eine Fortsetzung der Untersuchungshaft verlangt, er fordert nach HDP-Angaben 142 Jahre Haft für Demirtaş.

Unterstützer gestoppt

Busse mit Unterstützern aus vielen Teilen des Landes seien auf dem Weg nach Ankara aufgehalten worden, sagte der HPD-Abgeordnete Ziya Pir. Die Polizei habe die Menschen stundenlang warten lassen und dann zurückgeschickt. Vor dem Prozess untersagte das Gouverneursamt Solidaritätskundgebungen und Demonstrationen "im öffentlichen Raum in ganz Ankara". Es begründete das bis Freitag geltende Verbot damit, dass Versammlungen zum Ziel von Terrororganisationen werden könnten.

In der mehr als 600-seitigen Anklageschrift werden Demirtaş Gründung und Führung einer Terrororganisation, Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen. Die HDP – die zweitgrößte Oppositionspartei in der Türkei – kritisiert, dass sich die meisten Vorwürfe auf Kritik an der Regierung bezögen, die Demirtaş bei politischen Ansprachen geäußert habe.

Demirtaş war bis zu seiner Inhaftierung der schärfste politische Kontrahent von Staatschef Recep Tayyip Erdogan und leistete erbitterten Widerstand gegen dessen Präsidialsystem. Im vergangenen April setzte Erdogan das Präsidialsystem per Verfassungsreferendum durch. Erdogan wirft der HDP vor, der verlängerte Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu sein. (APA, 7.12.2017)