Flüchtlinge am ungarischen Grenzzaun im September letzten Jahres. Ungarn weigerte sich – wie auch Polen und Tschechien – dann im Rahmen der EU-Umverteilung, Flüchtlinge aufzunehmen.

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Brüssel – Die EU-Kommission klagt Polen, Ungarn und Tschechien vor dem EU-Gerichtshof wegen ihrer Weigerung, Flüchtlinge im Rahmen der EU-Umverteilung aufzunehmen. Er habe "bedauerlicherweise den nächsten Schritt machen müssen", sagte Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos am Donnerstag.

"Es ist ein sehr heikles Thema. Von Anfang an war ich für einen Dialog", erklärte Avramopoulos. Er habe versucht, Polen, Ungarn und Tschechien zu überzeugen, dass sie etwas beitragen sollten, "indem sie zumindest eine Form von Solidarität zeigen. Bisher ist das nicht geschehen."

Avramopoulos sieht noch Spielraum

Er glaube aber immer noch, dass es Spielraum für Veränderung gebe. "Wenn sie das tun, werden wir aufhören. Andernfalls ist der nächste Schritt entschieden, und wir gehen vor Gericht", kündigte Avramopoulos an.

Die Regierungen Polens, Ungarns und Tschechiens weigern sich, die ihnen zugewiesenen Flüchtlinge aufzunehmen. Gegen sie läuft bereits ein Vertragsverletzungsverfahren, mit dem aktuellen Schritt erhöht die Kommission den juristischen Druck.

Aus Polen hieß es noch am Donnerstag, dass man in der Flüchtlingsfrage nicht nachgebe: Das Land ändere "mit Sicherheit" nichts an seiner Entscheidung, sagte der polnische Innenminister Mariusz Blaszczak. Das System der Umverteilung bringe Gefahren mit sich, sagte der Minister und sprach davon, dass "Gesellschaften, die nach Europa strömen, sich nicht integrieren" würden und "eine Basis für islamische Terroristen" böten. Zudem sei fast keiner der Mitgliedsstaaten sei seinen Verpflichtungen in dieser Frage nachgekommen.

120.000 Schutzsuchende

Die EU hatte die Aufnahmequote vor gut zwei Jahren auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise beschlossen. Eigentlich sollten 120.000 Personen auf die einzelnen Länder verteilt werden – gelungen ist das nur in geringem Maße. Politiker in Osteuropa liefen gegen die Umverteilung Sturm.

Ungarn und die Slowakei klagten dagegen, unterstützt von Polen, sogar vor dem Europäischen Gerichtshof – mit dem Argument, dass ihre staatliche Souveränität gefährdet sei. Allerdings unterlagen sie auf ganzer Linie, die Richter gaben im September der EU-Kommission recht.

Timmermans: "Dringend und wichtig"

Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans verteidigte die Klagen gegen Polen, Ungarn und Tschechien. Auf die Frage, ob es nicht möglich sei, auf neue Regierungen in Tschechien oder Polen zu warten, sagte Timmermans: "Wenn die Kommission immer auf neue Regierungen wartet, würden wir nichts tun."

Es gebe gesetzliche Vorgaben wie Vertragsverletzungsverfahren, an die sich die Kommission zu halten habe. "Das ist eine dringende und wichtige Sache. Es geht um Solidarität und darum, ob die EU in Zeiten der Krise zusammenhält." Die Entscheidungen der Kommission seien nach sorgfältigen Untersuchungen erfolgt.

Sobotka begrüßt Maßnahmen

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) begrüßte den Schritt ebenso, denn "Verträge sind einzuhalten". Die Länder seien mit ihrer Klage gegen die Flüchtlingsverteilung nicht erfolgreich gewesen, "daher sind die Maßnahmen von der EU-Kommission zu setzen".

Ungarn auch wegen NGOs geklagt

Die EU-Kommission hat Ungarn auch im Streit über aus dem Ausland finanzierte Nichtregierungsorganisationen vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Die Behörde wirft Budapest einen Verstoß gegen EU-Bestimmungen zum freien Kapitalverkehr vor, wie sie am Donnerstag mitteilte. Nach Auffassung der Kommission verstößt Ungarn auch gegen die Rechte auf Vereinigungsfreiheit, auf Schutz der Privatsphäre und auf den Schutz personenbezogener Daten. (APA, 7.12.2017)