Beuteltiere unter sich: Ein Vertreter der neuentdeckten Beutellöwenart Wakaleo schouteni macht dem Beutelwolf-Verwandten Nimbacinus dicksoni einen Känguru-Kadaver streitig.
Illustration: Peter Schouten

Sydney – Zur einzigartigen Erfolgsgeschichte der Beuteltiere in Australien gibt es immer noch eine ganze Reihe offener Fragen. Nach bisherigem Wissensstand hat sich diese Säugetiergruppe ursprünglich auf der Nordhalbkugel entwickelt und noch während des Dinosaurierzeitalters über die Landmassen auszubreiten begonnen. Im Norden wurden sie aber von ihre Schwestergruppe, den Plazentatieren, allmählich an den Rand gedrängt, in Eurasien und Afrika verschwanden sie zur Gänze.

Ihr wichtigstes Refugium fanden sie in Australien, ausgerechnet dem letzten Kontinent, den sie erreichten. Obwohl es auch dort anfangs noch Plazentatiere gegeben hatte, stiegen hier die Beutler zur dominierenden Säugetierform auf. Als der Kontinent vor etwa 45 Millionen Jahren die letzte Verbindung zu anderen Landmassen verlor, konnte sich in der Isolation eine völlig eigenständige Fauna entwickeln.

Vergleichbare Nischen, andere Bewohner

Solche Bedingungen sind der ideale Boden für konvergente Evolution: Ökologische Nischen, die auf anderen Kontinenten von bestimmten Tiergruppen besetzt sind, werden hier von einer komplett anderen übernommen, die aber aufgrund ihrer Lebensweise ähnliche Körpergrößen und -formen entwickelt. Die Folge sind Kängurus statt Antilopen, Riesenwombats statt Nashörnern und Flusspferden, Beutelmulle statt Maulwürfen.

Und während im Rest der Welt die Ordnung der Raubtiere (Carnivora) die Nische des fleischfressenden Landbewohners im Lauf der Zeit fast exklusiv beanspruchte, teilten sich diese in Australien vor allem zwei Beuteltiergruppen untereinander auf: Die Raubbeutler mit dem ausgerotteten Beutelwolf und dem heute noch existierenden Beutelteufel zum einen, die näher mit Kängurus und Koalas verwandten Beutellöwen zum anderen.

Die Beutellöwen

Der größte aller Beutellöwen, Thylacoleo carnifex, lebte bis zur Ankunft des Menschen in Australien. Er wurde etwa eineinhalb Meter lang und über 100 Kilogramm schwer und konnte damit als einziger annähernd mit den großen Raubtieren anderer Kontinente mithalten. Im Schnitt gaben sich die fleischfressenden Säugetiere Australiens aber deutlich bescheidener.

Neun verschiedene Arten von Beutellöwen kannte man bereits, die von vor etwa 26 Millionen Jahren bis ins Eiszeitalter lebten. Und schon wieder ist eine neue dazugekommen: Forscher der University of New South Wales beschreiben im "Journal of Systematic Palaeontology" die Spezies Wakaleo schouteni, die in der frühen Phase dieser Tiergruppe lebte. Die Entdeckung stammt aus der berühmten Fossilienlagerstätte von Riversleigh im Nordwesten Queenslands, die laufend neue Funde aus der Zeit des Oligozäns liefert.

Frühe Vielfalt

Ausgegraben wurden Teile eines Schädels, Zähne und ein Oberarmknochen. Die Funde lassen auf ein hundegroßes Tier von etwa 23 Kilogramm Gewicht schließen. Wakaleo schouteni war ein Bewohner der üppigen Regenwälder, die es in der Zeit vor 26 bis 18 Millionen Jahren in dieser Region gab. Gegen Ende seiner Zeit teilte er sich sein Habitat möglicherweise mit einem kleineren Verwandten: Vor einem Jahr wurden in derselben Fundstätte nämlich Fossilien der Spezies Microleo attenboroughi gefunden, die Forscher auf nicht einmal ein Kilogramm Gewicht schätzen.

Auf jeden Fall aus demselben Zeitraum wie W. schouteni, wenn auch aus einer anderen Fundstätte, stammt eine weitere, etwa katzengroße Spezies namens Wakaleo pitikantensis. Schon im späten Oligozän hat es also mindestens zwei Arten von Beutellöwen gegeben. Und die waren bereits so unterschiedlich gebaut, dass man laut Studienerstautorin Anna Gillespie davon ausgehen kann, dass sich diese Tiergruppe früher entwickelt hat, als bisher gedacht wurde: ein weiteres Mosaiksteinchen für die Rekonstruktion der Entwicklungsgeschichte von Australiens Fauna. (jdo, 11. 12. 2017)