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In Beirut wurde teils gewalttätig gegen Israel und die USA demostriert. Dabei gab es auch Verletzte.

Foto: Reuters / Ali Hashisho

Auch wenn die Straßenproteste am Samstag und Sonntag etwas zusammengeschmolzen waren: Die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, zog am Wochenende weitere Kreise. In Jerusalem selbst wurde ein Sicherheitsmann am Eingang einer Busstation mit einem Messer attackiert und lebensgefährlich verletzt. Die Polizei nahm einen 24-jährigen Palästinenser fest und sprach von einem Terrormotiv.

Ein direkter Zusammenhang mit den großen Protesten palästinensischer Gruppen konnte zunächst zwar nicht nachgewiesen werden – allerdings handelte es sich genau um jene Art Anschlag, vor denen Experten gewarnt hatten. Schon vor der Tat waren über die Stadt strenge Sicherheitsmaßnahmen verhängt worden. Bei Protesten am Freitag waren zwei Palästinenser getötet und mehr als hundert verletzt worden.

Zudem wurden drei Raketen aus Gaza nach Israel abgefeuert, ohne dort Schaden anzurichten. Als Reaktion flog Israel einen Luftangriff, bei dem zwei Palästinenser getötet wurden.

Erdoğan beschimpft Israel

Politisch bleibt die Stimmung jedenfalls äußerst aufgeheizt: Der türkische Präsident Tayyip Erdoğan nannte Israel bei einer Rede am Sonntag einen "terroristischen Staat", der Kinder töte. Israels Premier Benjamin Netanjahu revanchierte sich wenige Stunden später bei einer Pressekonferenz in Paris. Er werde keine Vorträge von jemandem anhören, der kurdische Dörfer bombardiere und Journalisten einsperre. Sein Gastgeber, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, rief Erdoğan zur Mäßigung auf, sagte aber auch, er missbillige die Entscheidung der USA.

Die Türkei will am Mittwoch ein Treffen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) ausrichten und dort über weitere Schritte beraten. Die Außenminister der Arabischen Liga hatten davor schon am Samstag in seltener Einmündigkeit die Entscheidung scharf verurteilt. In ihrer gemeinsamen Erklärung von Sonntagfrüh hielten sie fest, dass der Entscheid internationales Recht verletze.

Weitere konkrete Schritte wurden noch nicht beschlossen. Der libanesische Außenminister Gebran Bassil hatte etwa angeregt, einen Wirtschaftsboykott der USA in Betracht zu ziehen. Sein irakischer Amtskollege Ibrahim al-Jafari rief die Welt auf, Palästina als Staat mit der Hauptstadt Ostjerusalem anzuerkennen. Die arabischen Länder wollen abwarten, welche Beschlüsse der OIC-Gipfel bringen wird.

Kein Treffen mit Pence

Erste konkrete Konsequenzen haben der koptische Bischof und der Scheich der al-Azhar-Moschee angekündigt. Sie haben ihre geplanten Treffen mit Mike Pence abgesagt, der noch heuer in der Region erwartet wird. Ein Treffen mit dem US-Vizepräsidenten hatte zuvor auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas abgesagt. Pence, Vertreter der US-Evangelikalen, gilt als einer der Drahtzieher hinter Trumps Entscheidung.

Die Regierung in Kairo hat noch keine Stellungnahme zu diesem heiklen Besuch abgegeben. Sie hat auch ein Gesuch für eine Kundgebung am Sonntag vor dem Gebäude der Arabischen Liga abgelehnt. Kairo will mit allen Mitteln verhindern, dass die Muslimbrüder von der Proteststimmung profitieren. Auch in anderen Ländern ist die Welle des Unmutes nicht abgeebbt. Am Sonntag kam es zu Auseinandersetzungen nahe der US-Botschaft in Beirut. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein, es gab Verletzte. Im Libanon, wo rund 450.000 Palästinenser als Bürger zweiter Klasse mit vielen Berufsverboten leben, hat Trumps Entscheid auch neue Ängste vor einer Einbürgerung der palästinensischen Flüchtlinge ausgelöst.

Strache tendiert zu Jerusalem

In Österreich hatte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am Samstag im "Kurier" dazu aufgerufen, auch Wiens Position zum Botschaftsstandort zu überdenken. Zwar dürfe Österreich als neutrales Land keine Alleingänge unternehmen, doch solle die "Tendenz" auf EU-Ebene dahingehen, dass in der Stadt, in der sich Israels Parlament befindet, auch die Botschaft sein solle.

Die Sprecher des Außenministeriums waren am Sonntag für Nachfragen des STANDARD nicht zu erreichen. Mitte der Woche hatte Außenminister Sebastian Kurz aber noch mitgeteilt, eine Festlegung des Status von Jerusalem solle das Ergebnis direkter Verhandlungen beider Seiten sein. Man müsse behutsam vorgehen. Kurz’ mögliche Nachfolgerin, die von der FPÖ ins Spiel gebrachte Nahostexpertin Karin Kneissl, war auf Nachfrage des STANDARD nicht zu einem Statement bereit. (Astrid Frefel aus Kairo, Manuel Escher, 10.12.2017)